: Bei Rot sehen viele Grün — Ampeln dienen offenbar nur noch zur Straßenverzierung
Die Zahl der BerlinerInnen, die im Straßenverkehr keinen Unterschied zwischen Rot und Grün sehen, nimmt zu. Allein im vergangenen Jahr zeigte die Berliner Polizei 25.600 »Rotlichtsünder« an. Das sind rund drei Prozent mehr als noch 1989, wie Innensenator Dieter Heckelmann gestern auf eine kleine Anfrage der SPD-Abgeordneten Käthe Zillbach mitteilte.
Die Lust am ungehemmten Durchrauschen ist insbesondere unter den Kraftfahrern weit verbreitet: 24.000 von ihnen durften sich nachträglich an einer saftigen Strafe erfreuen. Nicht immer ging es glimpflich aus: In 843 Fällen verursachten rotwütige Kraftfahrer Verkehrsunfälle, 133 mehr als im Vorjahr.
Die oft gescholtenen Radfahrer und Fußgänger schneiden in der Statistik hingegen weitaus besser ab. Nur 1.350 beherrschen nicht die Kunst, richtig hinzusehen.
Insgesamt dürfte die Zahl derer, die bei Rot ertappt worden sind, jedoch um ein Vielfaches höher liegen. Nicht erfaßt werden nämlich all jene, die das Verwarnungsgeld schon am Ort ihres Vergehens der Polizei bar in die Hand legen. Von einem erschreckenden Trend, wie ihn Frau Zillbach in den neuesten Daten auszumachen glaubt, will der Innensenator allerdings nichts wissen. Schließlich sei durch die Vereinigung der beiden Stadtteile sowohl das Verkehrsaufkommen ständig gestiegen sowie auch der Überwachungsraum größer geworden. Zur weiteren Beruhigung Frau Zillbachs verwies Heckelmann darauf, daß auch in Zukunft die Polizei in unregelmäßigen Abständen gezielte Überwachungsmaßnahmen durchführen werde. Außerdem seien da ja noch die 14 »ampelgeregelten Örtlichkeiten« in der Stadt, an denen inzwischen stationäre Kameras eingesetzt würden.
Nimmt man Heckelmanns Äußerungen sehr genau, droht demnächst allen Farbenblinden im Bezirk Köpenick Gefahr: Hier sollen nämlich zweizusätzliche Einsatzpunkte mit Kameras ausgerüstet werden. Etwas entspannter können die Ostberliner VerkehrsteilnehmerInnen an roten Ampeln vorbeirauschen: Kameras sollen hier erst nach »Maßgabe der technischen und materiellen Möglichkeiten« angebracht werden. Und das kann, wie man weiß, dauern. Severin Weiland
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