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DOKUMENTATION„In den nächsten Tagen mit knallharten Aktionen eingreifen“

■ Ein angebliches Mitglied der RAF warnt vor Anschlägen auf prominente Politiker/ Die Sicherheitsbehörden sind sich in der Bewertung des Schreibens nicht einig

Authentisch oder nicht? An der Bewertung des Briefes, den ein Unbekannter am Sonntag letzter Woche dem Frankfurter Polizeipräsidium zusandte, scheiden sich die Geister. Bundesjustizminister Klaus Kinkel (FDP) hält das Schreiben, in dem vor neuen Anschlägen auf prominente Politiker noch in diesem Monat gewarnt wird, für echt und ordnet den Autor dem näheren Umfeld der RAF zu. Der Verfassungsschutz dagegen will nicht ausschließen, daß es von einem „Trittbrettfahrer“ verfaßt worden sein könnte. „Gewisse Szenekenntnisse“ will dem anonymen Autor niemand absprechen. Der in dem Brief enthaltene Hinweis auf ein Versteck mit weiteren Unterlagen über die geplanten Anschläge erwies sich allerdings als Falschmeldung. Am bezeichneten Ort konnten Polizeibeamte keine weiteren Papiere finden. Sicher ist allerdings, daß die genannten Personen zu denen gehören, bei denen die Sicherheitsbehörden am meisten um Attentate fürchten. Nachfolgend die leicht gekürzte und um grobe Rechtschreibfehler bereinigte Fassung des Briefes.

Ich habe mich entschlossen, den weg anders zu gehen, als ich zuerst wollte. es reicht nicht aus, einfach den schlußstrich zu ziehen und dann nichts. das wäre nicht konsequent vor mir selbst, der politik, mit der ich mich seit 5 jahren auseinandersetze und den strukturen, aus denen ich komme. perspektiven, auch in der politik der guerilla, entwickeln sich nur aus der permanenten diskussion, aus der konfrontation mit den widersprüchen, die es natürlich auch bei uns gibt. ich habe lange daran überlegt, welcher weg der richtige ist. nach dem anruf bei pfarrer p.* in köln vor zwei wochen sind die ganzen widersprüche zu den konsequenzen der politischen entwicklungen in unserer gruppe neu aufgebrochen. danach war klar, dass ich erst mal bei der gruppe bleiben muss, um vielleicht politisch auch noch was zu bewegen. auch wenn da kaum noch raum und zeit dafür ist. aber es geht mir darum, was gegen diesen völlig falschen und überdrehten weg, den sie gehen wollen, zu unternehmen. wenn mir dieser schritt auch schwerer fällt als alles andere. aber nur so ist die politisch klare analyse wieder zurückzuholen in die realität, sonst wird sich die politik der guerilla auf jahre zerstören und in frage stellen. und damit ein teil von mir, meiner vergangenheit und zukunft. natürlich ist klar, dass ich keine namen nenne oder innere strukturen verkaufe, der seelenverkäuferfilm, der gerade läuft, reicht völlig aus. in den ganzen differenzen, die in der pol. analyse der letzten wochen nach roh. (Rohwedder, d. Red) immer wieder aufbrachen, hat sich am ende die harte linie durchgesetzt. sie wird von der zentralen ebene getragen und so, wie ich das mitbekommen habe, auch von den gef. (Gefangenen, d. Red), von denen sie offenbar erst richtig gepusht wurde. man will viel öfter in die einzelnen auseinandersetzungen reinkommen. um die phase, solange der aufbau eines faschistischen grossdeutschlands noch aktuell ist, effektiver auszunutzen, will man in den nächsten tagen oder wochen mit bew. (bewaffneten, d. Red) aktionen in die entw. (Entwicklung, d. Red) eingreifen. vom widerstand ist man masslos enttäuscht, weil absolut nichts lief nach roh., und um die guten ansätze weiter zu verbreitern, will man jetzt auf den pol. app. (politischen Apparat, d. Red) schwenken, weil man glaubt, dass sich diese leute besser verkaufen und mit mehreren knallharten bew. aktionen druck erzeugen. der pol. app. ist für die basisvermittl. (Basisvermittlung, d. Red) besser geeignet und sensibler, was reaktionen der repression anbelangt, und man trifft die wirklich entscheidenden akteure des systems. man will das alles zügig durchziehen, weil dann mögl. schnell wieder das projekt der gef. in die auseinandersetzung kommen soll, von den gef. selbst aus. überhaupt hat man nur solange gewartet, um das ganze um die berlin-entscheidung direkt in die off. (Offensive, d. Red) einzuklinken. um den nötigen qualitativen sprung zu schaffen und die harte linie im sommer voll durchzuziehen, laufen seit mehr als einem halben jahr kontakte mit ehemaligen stasi-leuten. wie ich das gecheckt habe, waren bei den letzten aktionen schon waffen der stasi im spiel. man versucht, jetzt die leute ganz in verschiedene gruppen reinzuholen. die papers zum qualitativen sprung kamen aus der gef. gruppe. die ersten wichtigen sind vor 2 wochen in bochum und karlsruhe übergeben worden, aber einen tag früher, als ich dachte. in frankfurt ist es nicht gelaufen. das paper wurde abgelegt, aber nicht abgeholt, weil man sich beobachtet fühlte. es war der papierkorb an der kirche beethovenplatz an der seite zur dantestrasse in einer zigarettenschachtel. vielleicht hat es die polizei ja gefunden. das paper aus bo. fängt mit den worten an: denn natürlich überlässt uns das system nicht das terrain. ich kenne den text nicht, aber er muss die hinweise auf die namen der leute enthalten, gegen die was laufen soll. die namen sind mit zahlen abgekürzt. der sprung, zuerst bei uns, dann den gef. soll so laufen, dass erst mal 2 aktionen zusammen gegen den pol. app. gemacht werden. in der disk. (Diskussion, d. Red) sind 4 leute. auf 2 hat man sich schon festgelegt, die anderen beiden kommen nur in frage, wenn bei den beiden ersten was nicht läuft. der erste ist diplomat, in dem paper mit 13,4 bezeichnet. der zweite politiker 13,35. aus den gesprächen, die ich mitbekommen habe, bevor in den papers die best. (Bestimmung, d. Red) festgelegt worden ist, müsste es sich um kastrup und köhler handeln, der dritte läuft unter 19. er ist im selben komplex wie der zweite, aber mit höherer stelle, mögl. waigel, an den aber schwer ranzukommen sein soll. dann hat man sich noch konkret über würzen unterhalten, ob der nicht besser als 19 ist, wenn bei den beiden ersten probleme auftauchen. die checks sind schon gelaufen. das ganze muss spätestens im juli laufen. die aktionen laufen unter mc leod. falls ich noch an weitere infos komme und es schaffe, melde ich mich noch mal. zwei aus unserer gruppe sind zwar weggegangen, bei mir hat man aber noch keine bedenken, glaube ich. aber es ziemlich gefährlich für mich, solche infos weiterzugeben.

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