: Alu-Verpackungs-Recycling im Kreuzfeuer
■ Industrie träumt von neuen Märkten / Ökologieexperten skeptisch
Schon an der Tür wird die Besucherin von feucht-muffigem Essensgeruch umhüllt. In einer großen Plastikwanne türmen sich Alu-Schalen mit Kartoffelpüreeresten und Saucenrändern. Rüdiger Hinriechs, seit vier Jahren Mitarbeiter bei der Gröpelinger Recyclinginitiative, legt die Alu- Schalen auf das Band der automatischen Waschanlage. Im Nebenraum stochert ein Kollege, ausgerüstet mit Gummistiefeln, Handschuhen und Magnetstab zwischen zerknüllter Alu-Folie, Büchsen, Jogurtdeckeln und Schraubverschlüssen herum. „Manchmal schmeißen die Leute auch Pampers und Katzenscheiße in unsere Behälter, das ist natürlich ätzend“, findet er. Ansonsten ist er froh, überhaupt einen Job zu haben, nach zehn Jahren Arbeitslosigkeit. Später, als die gewaschenen Schalen und sonstiger Alu-Abfall in der Presse landen, schrumpft alles zu einem halben Kubikmeter Metall zusammen: Rohstoff für die Industrie.
600 Sammelstellen betreibt die Gröpelinger Recyclinginitiative seit 1987 in Bremen und Umzu. Bisherige Ausbeute ihrer Aktivitäten: 100.889 Kilogramm gesammeltes Alu-Material, das an Industriefirmen für 154.128 Mark verkauft wurde — für die inzwischen 27 MitarbeiterInnen, neben öffentlichen Mitteln, ihre Existenzgrundlage.
Ob das Wiederverwerten von Aluminium — bisher sind es bundesweit zwischen ein und vier Prozent der Gesamtmenge — zu einer wirklichen Verringerung der Umweltbelastung führt, ist jedoch umstritten. Anlaß für die Gröpelinger Initiative und die Saar Consult Saarbrücken, in die Diskussion einzusteigen. Am 1. und 2. Juli luden sie Fachmenschen aus Industrie, Wissenschaft, Behörden und Ökogruppen zum Erfahrungsaustausch ins Bürgerhaus Oslebshausen.
Daß Alu-Vermeidung besser ist als Alu-Wiederverwendung, darüber waren sich die TagungsteilnehmerInnen einig — allein, das Aluminium ist so praktisch. Beispiel LKW-Transport: Schon bei 100 Kilometer Entfernung und 100 Kilogramm weniger Gewicht durch Alu kann ein Liter Sprit eingesparrt werden.
Glaubt man den Aussagen der Industrie, die auf der Tagung durch Werner Klein aus der Ökoabteilung der Vereinigten Aluminium-Werke AG vertreten war, haben ist Alu der Stoff des Jahrhunderts: Gasdicht, steril, bis auf Milimeter auswalzbar und trotzdem stabil. Doch damit nicht genug. „Wegen des geringen Energieaufwandes beim Einschmelzen ist der Stoff auch für das Recyclingverfahren einfach ideal“, schwärmt Klein: „Wenn man beispielsweise eine 15-Gramm- Dose einschmelzen will, benötigt man dafür 650 Grad Hitze. Eine Glasflasche mit ähnlichem Volumen dagegen wiegt 180 Gramm und da braucht man etwa 1300 Grad.“ Und: Durch das duale System, in dem Betriebe sich verpflichten, ihre Verpackungen zu recyceln und dafür den „grünen Punkt" erhalten, sei Alu-Verpackungsmaterial ein zukunftsträchtiger Markt geworden“, findet Klein. Hier konnte die Industrie, die schon seit Jahren Maschinenteile und Bleche wiederverwertet, bislang keinen Fuß fassen. Der Grund: „Es war einfach zu teuer, die 1,5 Kilogramm pro Kopf und Jahr, die im Durchschnitt verbraucht werden, zu sammeln und von Nebenprodukten zu trennen.“ Inzwischen sei man in der Forschung, was die Trennung von Materialien, die mit Alu verbunden sind, wie Papier, Weißmetall oder Plastikfolien ein ganzes Stück weiter. Kleins Traum: Der geschlossene Stoffkreislauf ohne nennenswerte Umweltbelastung.
Daß dies heute schon möglich sei, bezweifelt Knut Sanders, Abfallwirtschaftsberater des Instituts für Ökologie und Politik (Ökopol) Hamburg. „Das, was uns die Alu-Industrie da verkaufen will, stimmt einfach nicht.“ Bisher jedenfalls werde recycelt, ohne daß für die vollständige Beseitigung aller Reststoffe gesorgt sei. So würden von den 350.000 Tonnen Salzschlacke, die durch das Einschmelzen von Aluabfällen jährlich in der BRD anfallen, nur 200.000 Tonnen aufgearbeitet. Die restlichen 150.000 Tonnen, die bei Kontakt mit Wasser giftige Stoffe, wie Arsenwaserstoff und Phosphorwasserstoff entwickeln, würden meist unter freien Himmel auf dem Firmengelände gelagert. „Bevor zusätzliches Aluminium wiederverwertet werden kann, muß die Alu-Industrie ein Entsorgungssystem für das gesamte Salz bereitstellen,“ ist der Standpunkt von Sander. Auch habe es in der Vergangenheit immer wieder Fälle gegeben, wo Filterstäube, die beim Recyceln entstanden sind, einfach in andere Länder exportiert wurden, zum Beispiel nach Polen und Italien. „Obwohl die Leute da überhaupt keine Ahnung haben, wie das Zeug aufgearbeitet werden kann. So etwas darf einfach nicht passieren“, empört sich Sander. Außerdem gäbe es bisher keinerlei Daten über die beim Wiedereinschmelzen des Aluminiums entstehenden Dioxine. Sanders pragmatischer Vorschlag: Statt zur Aludose lieber zur Mehrwegflasche greifen.
Birgit Ziegenhagen
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