: IDYLLE DES OSTENS
■ Der Naturschutzpark Schaalsee in Mecklenburg-Vorpommern ist in Gefahr
Der Naturschutzpark Schaalsee in Mecklenburg-Vorpommern ist in Gefahr
VONLUTZJORDAN
Massentourismus, Geschäftemacher und Grundstücksspekulanten bedrohen nach Auffassung des Naturschutzwarts Rainer Schmahl den einzigartigen Naturschutzpark Schaalsee in Mecklenburg-Vorpommern. Auf dem Todesstreifen der ehemaligen innerdeutschen Grenze habe sich eine Vielfalt seltener Pflanzen- und Tierarten ungestört entwickeln und entfalten können, erklärt der Naturschützer.
Schmahl sieht ein Problem in seiner Doppelfunktion einerseits als Naturschützer und andererseits als gewählter Vertreter der Schaalsee- Gemeinde Lassahn. „Wenn es in der Kommune um Broterwerb und existentielle Fragen in dieser schweren wirtschaftlichen Zeit geht, brauche ich mit vordergründigen Naturschutzforderungen nicht zu kommen.“ Deshalb seien wirtschaftliche Interessen der Gemeinden und Naturschutzbelange oft nicht unter einen Hut zu bringen. „Aber so, wie jetzt die Touristen bei völlig unzureichender Infrastruktur über uns hereinbrechen, sehe ich schwarz.“
So fehle ein Rad- und Wanderwegenetz. Die Sperrzonen im Naturschutzgebiet seien nur mangelhaft beschildert, Wege schlecht markiert. „Dazu kommen wir trotz freiwilliger Helfer einfach nicht. Reine Bewachungs- und Kontrollaufgaben nehmen die ganze Zeit in Anspruch“, sagt Schmahl. So würden die Seeadlerhorste fast rund um die Uhr bewacht. Doch auch das erweise sich als wirkungslos, wenn, wie in der Vergangenheit häufig geschehen, angebliche Naturfreunde mit Privathubschraubern oder Sportflugzeugen über den Horsten und Nistplätzen kreisen, um zu filmen.
Illegale Camper und Wassersportler, die weder Sperrzonen noch Anlegeverbote beachten, bereiten den Naturschützern ebenso Sorge wie wilde Parkplätze, nicht genehmigte Imbißstände und fehlende öffentliche Toiletten. Der Besucherstrom aus dem Westen schwelle immer stärker an. Zusätzlich werde die Neugierde auf die Idylle des Ostens geradezu geschürt, empört sich Schmahl. In einigen Medien werde für den Besuch des Gebietes geworben, teilweise mit falschen Darstellungen. Fischer Hans Drosdatis hat für diese Begleiterscheinungen des Tourismus nur ein Kopfschütteln übrig. Andererseits gehört er, der jahrelang in der Abgeschiedenheit der Grenzgewässer seinem Beruf nachging, zu denen, die nun durch den Fremdenverkehr ihr Geld verdienen müssen. Die Drosdatis bieten in einem provisorischen Freiluftrestaurant zwischen Fischerhaus und Bootsschuppen unmittelbar am Ufer der Stintenburg ihren Fang an: Aal, Forelle, Hecht oder auch die nur noch in wenigen Gewässern Europas anzutreffende Große Maräne.
Ob die Gastronomie weiter ausgebaut werden kann, ist unklar. Eigentumsrechte sind noch offen. Die deutsche Einheit hat eine ganze Reihe ehemaliger Grundstücksbesitzer, Makler, Berater und Spekulanten im Osten des Schaalsees auf den Plan gerufen. Erste Spuren haben sie auch schon hinterlassen, obgleich sie wegen verwaltungstechnischer Unklarheiten noch gar nicht als Eigentümer registriert sind. In der Nähe des Ortes Campow markierte beispielsweise ein Unbekannter ein Grundstück und fällte geschützte Erlen und Eichen am angrenzenden Steilufer des Ratzeburger Sees. Erste Zäune mit Schildern „Privatgrundstück“ stehen jetzt auch auf der östlichen Seite des Schaalsees.ap
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