„Saba saba“ ärgert den Präsidenten

■ Zum Jahrestag der Massenproteste gegen die Einparteienherrschaft in Kenia wird das Regime von Präsident Daniel Arap Moi zunehmend nervös/ Studentenunruhen und Gedenkgottesdienste

Saba“ ist ein Swahili-Wort und bedeutet „sieben“. Es ist ein gefährliches Wort in Kenia: Der Präsident hat angeordnet, jeden zu verhaften, der in diesen Tagen „in der Absicht, die Öffentlichkeit aufzuhetzen“, „saba saba“ sagt. Schlimmer noch: Wer die Worte ausspricht, verrät damit nach Ansicht von Präsident Daniel Arap Moi, daß er in die Unruhen verwickelt war, die vor einem Jahr das ostafrikanische Ferienparadies erschüttert haben.

Leere Drohungen dürfte Kenias Staatsoberhaupt damit kaum ausgestoßen haben: Hier sind schon Leute festgenommen worden, die nichts anderes getan hatten, als ihre Finger zum „Victory“-Zeichen zu erheben — dem Symbol für den Kampf um ein Mehrparteiensystem im Einparteienstaat Kenia.

Kenias Regierung scheint dem kommenden Sonntag nervös entgegenzusehen. Dann nämlich jährt sich der Tag, der für die Bevölkerung untrennbar mit dem Schlagwort „saba saba“ verbunden ist: der 7.7.1990, an dem die ehemaligen Kabinettsmitglieder Kenneth Matiba und Charles Rubia eine öffentliche Versammlung hatten abhalten wollen. Schon vorher hatten sich die beiden Politiker mehrfach für die Zulassung oppositioneller Parteien ausgesprochen. Zu der geplanten Versammlung ließ es die Regierung gar nicht erst kommen: Matiba und Rubia wurden verhaftet und saßen gemeinsam mit Raila Odinga, dem Sohn des ehemaligen Vizepräsidenten und heutigen Oppositionellen Odinga Oginga, monatelang ohne Anklage im Gefängnis.

Aber die Verhaftung der Oppositionsführer brach der Bewegung nicht die Spitze ab, wie die Regierung wohl gehofft hatte. Tausende versammelten sich auf den Straßen, zunächst nur in Nairobi, dann auch in anderen Städten des Landes. Was als Kampf für mehr Demokratie begonnen hatte, geriet schnell außer Kontrolle: Die Demonstranten lieferten sich blutige Straßenschlachten mit der Polizei. Es wurde geplündert. Mindestens 20 Menschen starben.

Äußerlich deutet nichts darauf hin, daß der Jahrestag zum Signal für neue Unruhen werden könnte. Das Leben in Nairobi scheint seinen gewohnten Gang zu gehen. Zwar soll am Sonntag in zahlreichen Kirchen des Landes für die Opfer der Ereignisse des Vorjahres gebetet werden, von anderen geplanten Aktionen aber weiß die Gerüchteküche nichts.

Es schien der Regierung vor einem Jahr gelungen zu sein, die Lage innerhalb von nur wenigen Tagen unter Kontrolle zu bekommen. Aber seither ist das Land, das jahrzehntelang als eines der stabilsten in Afrika galt, immer wieder ins Kreuzfeuer internationaler Kritik geraten. „Amnesty international“ prangerte Menschenrechtsverletzungen an: Oppositionelle würden verfolgt, in Kenias Gefängnissen werde gefoltert. Westliche Geberländer drangen auf demokratische Reformen und auf Freilassung der politischen Gefangenen. Die USA drohten damit, gegebenenfalls die Entwicklungshilfe einzufrieren.

Für die Regierung in Nairobi waren das gänzlich ungewohnte Töne: Dank ihrer stramm antikommunistischen Haltung konnte sie sich zu Zeiten des Ost-West-Konflikts großzügiger Unterstützung westlicher Industrieländer sicher sein. Kenia spielte politisch und militärisch eine wichtige Rolle in Afrika: Die USA und Großbritannien unterhalten militärische Stützpunkte in der Region. Darüber hinaus ist das Land der nahezu einzige Staat des Kontinents, in dem die rigiden Strukturanpassungsprogramme des Internationalen Währungsfonds wenigstens gewisse Erfolge aufweisen können.

Die unerwartet harsche Kritik des Auslands scheint die Regierung in Nairobi nun eher noch starrer in ihrer Haltung werden zu lassen. Zwar reformierte die Einheitspartei Kanu Ende letzten Jahres das Wahlrecht, zwar sind die Gefangenen, die ohne Anklage in Haft saßen, vor einigen Wochen freigelassen worden — Kritik am Präsidenten und die Forderung nach der Zulassung von Oppositionsparteien gelten jedoch nach wie vor als Hochverrat. Befürworter des Mehrparteiensystems werden kriminalisiert. Vizepräsident George Saitoti beschuldigte sie am Mittwoch im Parlament, nicht etwa für Pluralismus einzutreten, sondern gewaltsam die Macht an sich reißen zu wollen. Odinga Oginga, der versucht hatte, im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten eine zweite Partei registrieren zu lassen, wurde von Präsident Moi öffentlich als „senil“ bezeichnet.

Auch im Ausland sollen Dissidenten offenbar nicht zu Wort kommen dürfen. Odingas Paß wurde in dieser Woche für ungültig erklärt, um den Veteranen der Unabhängigkeitsbewegung daran zu hindern, zu einer Menschenrechtskonferenz nach London zu reisen. Zwei andere Regierungskritiker, die ebenfalls zu der Tagung fliegen wollten, wurden am Flughafen an der Abreise gehindert.

Gegenwärtig herrscht in Nairobi Ruhe, aber erst vor wenigen Tagen hat sich gezeigt, daß nicht viel nötig ist, damit sich Unzufriedenheit erneut mit explosiver Macht entlädt: Die geplante Einführung neuer Studiengebühren führte zu Protesten der Studenten, die von der Polizei gewaltsam niedergeschlagen wurden. Ein Student wurde getötet, mehrere Universitäten sind auf unbestimmte Zeit geschlossen worden. An Warnsignalen für die Regierung fehlt es gegenwärtig nicht. Bettina Gaus