: Selbstbestimmungsrecht für Eritrea
■ Runder Tisch in Addis Abeba vereinbart Referendum über die Unabhängigkeit Eritreas innerhalb von zwei Jahren/ 1993 Wahlen in Äthiopien/ Hilfe für SPLA-Guerilla im Sudan soll eingestellt werden
Addis Abeba/Berlin (dpa/taz) — Dem seit 30 Jahren für seine Unabhängigkeit kämpfenden Eritrea ist das Recht zuerkannt worden, über die Bildung eines eigenen Staates zu entscheiden. Dies beschlossen am Donnerstag abend einstimmig die Delegierten der verschiedenen politischen Gruppen Äthiopiens bei ihren Gesprächen am runden Tisch in Addis Abeba. Danach soll die Bevölkerung Eritreas innerhalb von zwei Jahren in einer international überwachten Volksabstimmung entscheiden, ob die 1962 von Äthiopien annektierte frühere italienische Kolonie ein unabhängiger Staat wird oder ein Teil Äthiopiens bleibt.
Wie aus Konferenzkreisen verlautete, werden die Machthaber in Eritrea, die „Eritreische Volksbefreiungsfront“ (EPLF), bis zum Referendum keine einseitige Unabhängigkeitserklärung abgeben. Eritrea werde bis zu einer endgültigen Regelung auch nicht den Beitritt zur UNO oder zur Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) beantragen.
Die EPLF, die nach dem Sturz des äthiopischen Diktators Mengistu Haile Mariam eine eigene Regierung für Eritrea aufgebaut hat, verpflichtete sich außerdem dazu, Äthiopien freien Zugang zum Hafen von Assab zu garantieren. Im Falle einer Loslösung Eritreas hätte Äthiopien keinen eigenen Seehafen mehr. Das Übereinkommen sieht vor, daß Eritrea auch in Zukunft äthiopische Im- und Exporte über Assab durch keinerlei rechtliche oder steuerliche Einschränkungen behindert.
„Mit dem heutigen Tag hat Äthiopien sich für den Frieden entschieden“, sagte ein Delegierter zu dieser Übereinkunft. „Heute ist der Krieg, der längste Konflikt in der Geschichte Afrikas, offiziell beendet worden.“
Die Einzelheiten der Beziehungen zwischen Äthiopien und Eritrea sollen zwischen den jeweiligen Regierungen in Addis Abeba und Asmara ausgehandelt werden. In diesem Zusammenhang schlug die Konferenz einen gegenseitigen Nichtangriffspakt vor sowie die Bildung von gemeinsamen Arbeitskreisen, welche Sicherheits-, Handels- und Migrationsfragen zwischen beiden Seiten regeln sollten.
Die Gespräche in Addis Abeba wurden gestern mit Diskussionen über die Zusammensetzung der künftigen äthiopischen Übergangsregierung fortgesetzt. Nach einer zu Konferenzbeginn verabschiedeten Charta sollen 1993 freie Wahlen stattfinden. Davor soll ein Übergangsparlament eine neue Verfassung ausarbeiten. In der Charta wird ebenfalls eine neutrale Außenpolitik festgelegt, die eine militärische Unterstützung für Rebellengruppen in Äthiopiens Nachbarstaaten explizit ausschließt. Dies wird schwerwiegende Implikationen vor allem im Sudan haben, wo die im Süden gegen die Zentralregierung kämpfende „Volksbefreiungsarmee“ (SPLA) bislang von Addis Abeba unterstützt wurde. Damit bedanken sich EPRDF und EPLF für die Hilfe, die sie während ihres jahrelangen Guerillakrieges von den Regierungen des Sudan erhielten.
Ob diese Übereinkünfte halten, hängt nun vor allem von den Gruppen ab, die von den Gesprächen in Addis Abeba ausgeschlossen blieben. Die wichtigste darunter ist die „Revolutionäre Partei des Äthiopischen Volkes“ (EPRP), die das unter den bisherigen Regierungen privilegierte Volk der Amharen vertritt. Sie ist nach eigenen Angaben im Westen des Landes aktiv und erklärte am Mittwoch, EPRDF-Einheiten hätten ihre Verbände in den Provinzen Gondar und Gojjam angegriffen. D.J.
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