Fraueninteressen ausgegrenzt

■ Expertinnen debattierten die Mißachtung von Frauen in Politik und Recht

In den heiligen Hallen der Hochtechnologie war drei Tage lang geballte Frauenwissenschaft angesagt: Zu „Integration und Ausgrenzung weiblicher Interessen in Politik und Recht“ referierten und diskutierten im BITZ knapp zwei Dutzend Wissenschaftlerinnen aus Deutschland, den USA, Großbritannien, der Türkei und Ghana.

Die Diskriminierung weiblicher Interessen vor Gericht hat die US-Juristin Lisa Frohmann am Beispiel von Sexualdelikten untersucht. Weil im US-Strafrecht eine Geschworenenjury überzeugt werden muß, lassen sich Rechtsanwältinnen auf Vergleiche ein, wenn sie ihrer Mandantin nur geringe Chancen ausrechnen.

Werden schwarze Frauen mißhandelt, kommt die Jury häufig zu dem Ergebnis, die Frau wurde „nicht genug mißhandelt“. Denn auf Fotos sind die Verletzungen dunkler Körper schwerer zu erkennen.

Überhaupt, ergab die anschließende Debatte der Wissenschaftlerinnen im BITZ, sei ein hohes Maß an Brutalität bei „ganz normaler“ heterosexueller Sexualität an der Tagesordnung. „Heterosexuelle Sexualität ist erotisierte Unterwerfung“, zitierte die nordirische Professorin Celia Davies aus einem Buch, das gerade in Großbritannien Furore macht.

Eine andere Art von Gewalt wird Frauen im deutschen Asyl- und Ausländerrecht angetan. Bemüht sich ein Ehepaar um Asyl, werden beide vorgeladen, und der Mann wird befragt. Anschließend wird die Frau gefragt, ob sie etwas ergänzen möchte, berichtete die Verwaltungsrichterin Bettina Sokol. Ob Frauen wegen ihres Geschlechtes besonderer Verfolgung ausgesetzt waren, gehört nicht automatisch zum Fragenkatalog der AsylbeamtInnen.

Von der Vergewaltigung im Gefängnis muß eine Frau, möglicherweise gegenüber einem männlichen Beamten, von sich aus berichten.

Kommt eine Frau alleine nach Deutschland, muß sie sich ins männliche Raster einfügen, oder sie fällt durch. Für die Aufenthaltserlaubnis muß sie eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit nachweisen. Ungeschützte Jobs, mit denen sich viele Frauen über Wasser halten, zählen vor den Augen der BeamtInnen nicht, die den begehrten Stempel in den Paß knallen dürfen.

„Integration und Ausgrenzung“ von Frauen in nicht-westlichen Ländern war kein Thema der Tagung. Wie beide Ansätze trotzdem zusammenpassen können, berichtete die indianische Anthropologie-Professorin Bea Medicine. Weiße EinwanderInnen stülpten den US-IndianerInnen ein rechtliches und politisches System über, in das indianische Männer eingebunden wurden, obwohl viele Stämme Nordamerikas mutterrechtlich organisiert sind.

In den letzten Jahren hat sich etwas geändert: Gemeinsam haben indianische Frauen und Männer ihre Forderungen gegenüber der weißen Gesellschaft angemeldet, und innerhalb der indianischen Gemeinschaften haben die Frauen ein Stück ihrer traditionellen Stärke wiedergewonnen. Es gebe 700 indianische AnwältInnen, ein Drittel davon seien Frauen. „Eine Lumbee-Anwältin hat kürzlich vor dem Obersten Gericht ihren Fall durchgebracht“ erzählte die weißhaarige Bea Medicine, „und das ist gut für alle IndianerInnen.“

Gaby Mayr