KOMMENTARE: Eheliche Angelegenheiten
■ Rita Süssmuth bringt die Reform des Eherechts voran
Ob wir uns in Bonn derzeit drei oder vier Ministerinnen für Frauen-, Familien- und Gesundheitsangelegenheiten halten, vergißt man immer wieder. Fest steht: Die Damen Rönkel usw. schweigen wie die Karpfen, kommen irgendwie aus dem Osten und lassen sich im Dienstdaimler durch die Lande chauffieren. Altgediente CDU-Pressekader sorgen dafür, daß ihnen ja kein eigener Gedanke entrutscht: Er könnte Geld kosten. Jede öffentliche Überlegung zu den Themen „Aids“, „Jugendarbeitslosigkeit“, „Gleichstellung der Geschlechter“ oder „Familie“ trifft unmittelbar ins Vegetativum des Kollegen Waigel, verursacht dem Schwergeprüften ein unangenehm saures, fiskalisches Aufstoßen. In aller Stille bewerkstelligen die Damen das einzig Vernünftige: Sie deponieren die sozialpolitischen Reformideen aus der Endphase der alten BRD in ihren zu Abraumhalden umgewandelten Ministerien, dekontaminieren den Reformmüll so, daß frühesten im zweiten Jahrzehnt des nächsten Jahrtausends über die Folgen nachgedacht werden muß. Die Ministerinnen tun das mit bewunderswerter Professionalität — mit der geballten Kraft des Nichtstuns.
Die Rechnung der Herren Kohl und Waigel ginge locker auf, gäbe es da nicht Rita Süssmuth. Eigentlich ist sie ja nicht mehr aktive Politikerin, sondern als protokollarisch Zweithöchste unseres Staates fürs einigermaßen intelligente Repräsentieren zuständig. Aber wenn es ernst wird, mischt die Bundestagspräsidentin mit. Und außerdem, sie hat eine Scharte auszuwetzen: Das Scheitern ihrer eher laienhaften Pro-Bonn-Intrige ist noch gut im Gedächtnis. Also wechselte Süssmuth das öffentliche Terrain und forderte mitten in das Jahrhundert- Hoch „Leopold“ hinein die steuer- und rentenrechtliche Gleichstellung homosexueller Paare mit verheirateten Heteros. „Wir müssen uns gesellschaftlich öffnen“, sprach lovely Rita in der 'Bunten‘, und stellte fest, daß in „diesem Bereich“ (gemeint sind die schwulen Partnerschaften) einiges „neu zu regeln ist“. Mit einem Seitenblick auf die rheinischen Bischöfe begrenzte die Bundestagspräsidentin ihren Vorschlag mit gewohnter Halbherzigkeit: Heiraten dürfen die Schwulen nach der neuesten Süssmuth-Idee nicht. Das geht zu weit! Logisch kann Süssmuth das nicht begründen, aber im gefühlsmäßigen Eigeninteresse liegt sie richtig, wenn sie die Ehe als religiös überhöhte Lebensgemeinschaft gegen die Banalität des bürgerlichen Vertragsrechts in Schutz nimmt. Schließlich gelang es ihr vor nicht allzu langer, schon vergessener Zeit selbst den strengen Bundesrechnungshof davon zu überzeugen, daß ein von Ehemann Hans genutzter Dienstwagen praktisch von ihr selbst gefahren wurde. Die beiden sind ein Fleisch.
Zieht man all das ab, bleibt Süssmuths Initiative ein ebenso wichtiger wie widersprüchlicher Vorstoß in die richtige Richtung. Die Ehe ist, so wie sie das geltende Recht definiert, ein leidiger Anachronismus, eingesperrt zwischen Steuervorteil und Sakrament, zwischen Liebe und Unterhaltsanspruch, zwischen Keimzelle des Staates und Scheidungsanwalt. Die obersten Gerichte der Bundesrepublik sind pausenlos damit beschäftigt, diesen Anachronismus mit Hilfe von Einzelentscheidungen des gesprochenen Rechts abzumildern. Die Diskussion um die Rechtsstellung homosexueller Paare akzentuiert die Notwendigkeit einer Reform des geltenden Rechts selbst dann, wenn die Diskussionsbeiträge gewunden und kompromißlerisch sind. Es gibt keine vernünftigen Gründe, unverheiratete Partner im Sorge- und Steuerrecht, im Renten- und Aussageverweigerungsrecht, in der Unterhaltspflicht und im Erbrecht schlechter zu stellen als verheiratete. Das gilt für Homos und Heteros. Süssmuth hat im Grunde recht, wenn sie den Schwulen den ehelichen Segen verweigert; es geht um die Säkularisierung jeder Partnerschaft. De facto ist die Ehe nicht mehr heilig. Partnerschaft gleich welcher Form ist ein Vertrag, der Rechte und Pflichten einschließt, der durch eine rechtsreformerische Anstrengung geregelt werden muß. Götz Aly
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