Machos auf den ANC-Sesseln haben Sitzfleisch

■ Mit Leidenschaft und Sexismus schmetterte die männliche Delegiertenmehrheit eine Frauenquote ab

Fast vier Stunden lang erhitzten sich am Mittwoch abend die Gemüter. Zeitweise verlor Joe Slovo, der zu diesem Zeitpunkt den Vorsitz der ANC-Konferenz hatte, die Kontrolle. Es wurde wild hin und her geschrien. Als Nelson Mandela vorschlug, eine Entscheidung der Exekutive zu überlassen, um damit die Diskussion zu beenden, wurden ihm undemokratische Praktiken vorgeworfen. Mandela standen Tränen in den Augen. Als die Konferenz spät am Abend bis zum Donnerstag vertagt wurde, war noch immer keine Entscheidung gefällt.

Die leidenschaftlichste Debatte bei der ANC- Konferenz ging um das Thema Frauen, genauer: um die Frage, ob 30 Prozent aller Posten in der auf 90 Mitglieder erweiterten Exekutive für Frauen reserviert werden sollten. Letztendlich war die Heftigkeit, mit der sich fast ausschließlich männliche Delegierte gegen die Frauenquote wehrten, auf reinen Sexismus zurückzuführen. „Wir kommen aus einer Gesellschaft, die sehr, sehr schmerzhaft von Männern dominiert wird“, sagte dazu Barbara Masakela, ANC-Kulturbeauftragte und neugewähltes Exekutivmitglied. In der Nacht zum Donnerstag formulierten die Frauen einen Kompromiß, der dann von der Konferenz akzeptiert wurde. Die Quote wurde fallengelassen. Statt dessen bekennt sich der ANC zu einer „affirmative action“ (positive Diskriminierung) zugunsten von Frauen.

Dennoch beschrieben prominente Frauen die Debatte als einen wichtigen Fortschritt. „Es ist ein Sieg, daß wir mehr als drei Stunden lang Frauenfragen diskutiert haben“, meinte Masekela. „Man kann niemanden dazu zwingen, die Gleichheit von Frauen zu fördern. Dazu muß die Gesellschaft sich als ganze ändern. Sogar manche männliche Delegierte, die uns unterstützten, waren nicht mutig genug, das öffentlich zu sagen.“ Dabei gaben die Frauen allerdings zu, daß sie in der Vorbereitung der Diskussion zu wenig an der Basis des ANC gearbeitet hatten.

Die Debatte hat die ANC-Frauen jedoch neu motiviert. Die noch vor fünf Jahren gängige Definition von Frauen als Mütter und Ehefrauen der politisch engagierten Männer, die in die Bresche springen, wenn die Männer im Gefängnis oder im Untergrund sind, ist jetzt überholt. Wie der ANC mit der Frauenfrage umgeht, hat allerdings auch weitreichendere Folgen. Der ANC-Entwurf für eine neue südafrikanische Verfassung spricht von „positiver Diskriminierung“ zur Überwindung gesellschaftlicher Folgen der Apartheid. „Nachdem die Frauen demonstriert haben, wie wichtig ihnen diese Frage ist“, sagte Mandela, „wird der ANC nie wieder derselbe sein.“ Hans Brandt