: Keine Eignungsaussage per Simulation
■ Die „Langzeitsicherheit“ ist ausschließlich durch geologische Bedingungen bestimmt
„Durch Änderung einer Rechenvorschrift“, so sagte der Geologe Detlef Appel über die „Langzeitsicherheit“ von „Konrad“, „hat sich hier das Ergebnis der Ausbreitungsrechnung für das Radionuklid Radium 226 um mehr als den Faktor 100 verändert“. Zunächst war bei den aufwendigen Computersimulationen zur Ausbreitung des radioaktiven Inhalts von Schacht Konrad eine Grenzwertüberschreitung für Radium 226 herausgekommen. Nach einem Wechsel der Rechenvorschrift lag dann der Wert klar unter dem Grenzwert.
Was der hannoversche Geologe im DGB-Haus in Salzgitter am Overheadprojektor mit diesem Rechentrick illustrierte, zeigte den Hauptmangel des Atommüllendlagers Schacht Konrad: Seine eigentliche Funktion, den Atommüll über die notwendigen geologischen Zeiträume hinweg von der Biosphäre abzuschließen, seine „Langzeitsicherheit“, ist nicht einmal auf dem Papier nachgewiesen. Anders als alle übrigen Schwachstellen wie mangelnde Transportsicherheit, geringer Brandschutz oder etwa die Befürchtung, daß bei Unfällen im Schacht Radioaktivität durch die Belüftung nach außen transportiert wird, wird diese „Langzeitsicherheit“ allein durch die Geologie bestimmt.
Auch wenn Schacht Konrad ein relativ trockenes Bergwerk ist: Es ist eine Einlagerung auch von hochradioaktiven Müll im Grundwasser vorgesehen. Die Sicherheitsanalyse geht nun davon aus, daß sich in dem Gebiet um „Konrad ständig Grundwasser neu bildet, nach unten abfließt und das Wasser und damit die in ihm gelösten radioaktiven Stoffe erst etwa 30 Kilometer weiter nördlich wieder an die Erdoberfläche gelangen. Dieser Transport des radioaktiven Inventars durch tiefe Erdschichten soll über 10.000 Jahre dauern, und am Ende soll sich alles so verdünnt haben, daß an der Erdoberfläche die Grenzwerte der Strahlenschutzverordnung nicht mehr überschritten werden.
Für die Analyse der „Langzeitsicherheit“ wird nun die Ausbreitung der Radionuklide im Untergrund per Großrechner simuliert. Notwendigerweise gehen dabei zahlreiche unüberprüfbare Annahmen über die Struktur des Gesteins ein: Die betreffenden Schichten liegen weit unten im Dunkeln. Geringere Änderungen der geologischen Ausgangsannahmen potenziert der Computer im Ergebnis. Dreimal ist die „Langzeitsicherheit“ nun schon per Computer simuliert worden. Nur in der letzten jetzt gültigen Version wurden schließlich keine Grenzwertüberschreitungen mehr prognostiziert. Für die hannoversche „Gruppe Ökologie“, die die Planfestellungsunterlagen für die Stadt Salzgitter begutachtet, ist denn auch absehbar, daß weitere Rechnungen „wiederum zu anderen Rechenergebnissen führen werden“. Nach Aussage der Gutachter sind schon deswegen die „Ergebnisse nicht belastbar und begründen keine Eignungsaussage“.
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