Bremen kippt Ausländerwahlrecht

Staatsgerichtshof folgt CDU-Antrag und BVG-Urteil: Ausländerwahlrecht ist verfassungswidrig / Auch fast rechtlose „Beiräte“ dürfen nur vom „deutschen Staatsvolk“ gewählt werden  ■ Aus Bremen Dirk Asendorpf

Wenn am 29. September in Bremen gewählt wird, dann werden über 50.000 BremerInnen mit ausländischen Pässen wieder keine Stimme haben. Gestern folgte der Bremer Staatsgerichtshof einem Antrag der CDU-Fraktion und strich das Ausländerwahlrecht für 22 kleine Stadtteilparlamente („Beiräte“) wieder aus dem Beirätegesetz. Dort war es nach langer Debatte erst vor zwei Jahren mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP aufgenommen worden. 16.000 AusländerInnen, die seit mindestens vier Jahren in Bremen leben, wären danach wahlberechtigt gewesen.

Bundesverfassungsgericht wies Richtung

Das oberste Bremer Gericht folgte mit seiner Entscheidung dem Urteil des Karlsruher Bundesverfassungsgerichts, das am 31. Oktober 1990 das kommunale Ausländerwahlrecht in Hamburg und Schleswig-Holstein für verfassungswidrig erklärt hatte. Die Karlsruher Entscheidung war allerdings nicht direkt auf die Bremer Stadtteil-Beiräte zu übertragen, da diese erheblich weniger Rechte haben, als die kommunalen Entscheidungsgremien in Hamburg und Schleswig- Holstein.

Geht von den „Beiräten“ Staatsgewalt aus?

So ging es denn in der mündlichen Verhandlung des Bremer Staatsgerichtshofes vor allem um die Frage, ob von den 22 Beiräten überhaupt „Staatsgewalt“ ausgeübt wird. Denn nur für diesen Fall hatten die Karlsruher Richter das Wahlrecht eindeutig auf das „deutsche Staatsvolk“ begrenzt. Der Bremer Senat, SPD, FDP und Grüne vertraten die Position, daß die Beiräte gar keine eigenständigen Entscheidungsrechte hätten und ihre Beschlüsse durch den Senat und das tatsächliche Bremer Kommunalparlament, die „Stadtbürgerschaft“, in den allermeisten Fällen wieder rückgängig gemacht werden könnten. Zudem könnten die 22 Beiräte insgesamt lediglich über zwei Millionen Mark im Jahr frei verfügen, Entscheidungsbefugnis habe sie somit nur im „Bagatellbereich“.

Der Staatsgerichtshof folgte in seiner mit 5:2 Stimmen getroffenen Entscheidung jedoch im Wesentlichen der Argumentation der CDU- Fraktion, die von dem Verfassungsrechtler Prof. Josef Isensee vertreten wurde. Er hatte bereits in Karlsruhe mit seiner Argumentation gegen das kommunale Ausländerwahlrecht Erfolg gehabt.

Staatsgewalt geht vom deutschen Staatsvolk aus

Die Bremer Beiräte könnten neben der Vergabe von rund 100.000 Mark jährlich insbesondere über „Um- und Ausbauten von Straßen, öffentlicher Beleuchtung und Wechsellichtanlagen“ mitentscheiden, begründet der Staatsgerichtshof sein Urteil. Damit sei die Grenze „amtlichen Handelns mit Entscheidungscharakter“ überschritten, hinter der „Staatsgewalt“ eben nur vom deutschen Staatsvolk ausgehen könne. Daran konnte auch der Hinweis des Senats nichts ändern, daß gerade die Beirats-Rechte im Verkehrsbereich durch die Straßenverkehrsordnung so weit eingeschränkt seien, daß den „Beiräten praktisch kein Entscheidungsraum verbleibt“.

Abschließend hat der Staatsgerichtshof betont, daß die Entscheidung über ein passives Ausländerwahlrecht nach „anderen Kriterien“ gefallen wäre. Dieser Frage mußte er jedoch nicht weiter nachgehen, da im Bremer Beirätegesetz passives und aktives Wahlrecht direkt aneinander gekoppelt sind.

Außerdem, so der Staatsgerichtshof, zwinge seine Entscheidung die Bremer Bürgerschaft nicht, „in Zukunft auf ein Ausländerwahlrecht zu verzichten“. Das setze allerdings voraus, „daß die Befugnisse der Beiräte unter die Schwelle der Ausübung von Staatsgewalt herabgesetzt werden“. Im Klartext: Nur Parlamente, die überhaupt nichts zu entscheiden haben, dürfen auch von AusländerInnen mitgewählt werden.