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Vom Sterbegemach aufs Schlachtfeld

■ Erwi & Alvi probten ihren „Don Quixote“ öffentlich / Tragikomisches Stück aus Körper und Kehle

Hier bitte die zwei

Männer, die sich

auf Stühlen sitzend

ansehen

Zwei schaukelnde, übereinander gestapelte Stühle, die Lehne nach vorn und davor eine Trommel: Rosinante. Darauf thronend ein hagerer Mann mit wüstem Blick: Don Quixote auf seiner letzten Traumreise. Eine Etage tiefer tappst der treue Gefährte Sancho Pansa auf einem Einfachstuhl hinterdrein. Er ist schließlich kein Ritter.

Am Montag abend war im Kontorhaus öffentliche Generalprobe des Stückes „Don Quixote“, das die beiden Chilenen Erwing Rau und Alvaro Solar (Erwi und Alvi) produziert haben. Das Duo ist für diese Rollen prädestiniert: Alvi, in die Brust geworfen und mit rollenden Augen, verkörpert ganz den spanischen Edelmann; Erwi, untersetzt und mit bunter Mimik- Palette, ist der treu ergebene, liebevoll besorgte und zuweilen freche Begleiter.

Die beiden verwandeln sich binnen Minuten auf der Bühne von ganz normalen Anzugträgern in Gestalten des 16. Jahrhunderts. Zuerst die langen Strümpfe über die Hose gezogen, die Schuhe zu Stulpenschuhen umgeklappt und einen Spitzbart angeklebt. Fehlt noch die Oberbekleidung: In einer Art Stierkampf „hilft“ Sancho seinem Herrn in die Jacke. Der stürzt sich schließlich, die Arme voran, in das Bekleidungsstück — schnell hinten zugeknöpft und einen breiten Gürtel darum, plötzlich steht der Ritter von der traurigen Gestalt im perfekten Gewand da. Sancho, auf dieselbe Art in seine Jacke geraten, guckt — irgendwas stimmt doch nicht — was vorne stört, muß halt nach hinten, also das Ganze über den Kopf gezogen: fertig ist die Bolero-Jacke, vorne kurz und hinten knubbelig.

Als Kulisse für die letzten Phantasiereisen des sterbenden Ritters und seines Knappen dienen vier Stühle, ein paar Decken, zwei Trommeln und ein Besen. Daraus werden Pferde und Sterbegemächer, Schlachtfelder und schöne Frauen.

Sancho versucht, seinen Lehrmeister, der nur sterben will, in alte Zeiten und Abenteuer zu ziehen. Immer wieder springt der auf Sanchos Flehen und Provokationen an, bricht aber auch immer wieder zusammen. Jede Bewegung — eine leises Rasseln, ein lautes Knarren — Stille. Dann kracht der Körper wieder in allen Fugen. Sancho zerrt den greisen Mann aus dem Bett und trägt Don Quixote wie eine Marionette herum. Wunderbar zu der akrobatischen Körperbeherrschung die musikalische Begleitung. Neben selbst komponierten spanischen Liedern untermalen die beiden ihr Schauspiel mit Geräuschen. Der Höhepunkt: das Morgengrauen nach durchrittener Nacht. Aus Erwi und Alvis Kehlen dringen Laute der erwachenden Natur: zuerst ein leises Tschilpen, dann ein vorsichtig blökendes Schaf, dann kommen Hund und Katze, Kühe und Enten dazu — ein Mordsradau. Und dann die Schlacht zwischen Don Quixote und dem „Ritter des blanken Mondes“, diesem Frevler, der gewagt, Dulcinea (du Schönste aller Frauen, dein Haar ist gülden, deine Augenbrauen Himmelstore, deine Augen — ächz — Sancho, wie sind doch gleich ihre Augen?), der also gewagt hat, Dulcinea zu beleidigen. Mit Trommelstöcken geht es, perfekt stilisiert, aufeinander los, daß die Bühne wackelt.

Don Quixote stirbt am Ende glücklich, mit der bewahrten Illusion, ein echtes Ritterleben mit lauter bestandenen Abenteuern geführt zu haben — es waren Riesen, keine Windmühlen. Susanne Kaiser

Premiere des Stückes ist zwar am 12. Juli, allerdings in Hanau. Die BremerInnen müssen noch bis März nächsten Jahres warten: ein Dreivierteljahr Zeit zum Drauf- Freuen.

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