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Kapitalexperten spekulieren wild

■ Vor Pöhls letzter Zentralratsbank-Sitzung schießen die Zinsspekulationen ins Kraut

Frankfurt (dpa/taz) — Vor der Sitzung des Zentralbankrats am Donnerstag wird in Frankfurter Bankerkreisen heftig über eine mögliche Erhöhung der deutschen Leitzinsen spekuliert. Diese wurden zuletzt Anfang Februar um jeweils ein halbes Prozent erhöht. Seither steht der Diskontsatz bei 6,5 Prozent und der Lombardsatz bei 9,0 Prozent. Ungeachtet der Zinsspekulationen stehen formal andere Themen im Vordergrund der bevorstehenden letzten Sitzung des Zentralbankrats vor der Sommerpause. Zum einen wird dabei traditionell das Geldmengenziel überprüft. Zum anderen ist es die letzte Sitzung unter Leitung des scheidenden Bundesbank-Präsidenten Karl Otto Pöhl.

Die Verfechter höherer Leitzinsen im Frankfurter Geldhandel führten ins Feld, die Staatsverschuldung sei zu hoch, die steigenden Steuern und Abgaben seien der Treibsatz für die Preise und die internationale Schwächung der D-Mark. Schließlich könne Pöhl seinem Nachfolger Helmut Schlesinger den Start ins Präsidentenamt mit dem unpopulären Anziehen der Zinszügel erleichtern und ein letztes Signal gegen die Bonner Schuldenpolitik setzen.

Die Mehrzahl der Kapitalexperten hält jedoch einen schärferen Geldkurs für verfrüht, wenn nicht für überflüssig. So müsse zunächst einmal abgewartet werden, wie sich die Inflationsrate wirklich entwickle. Eine Verteuerung des Geldes würge die dringend benötigten privaten Investitionen in den neuen Bundesländern eher ab. Bei den derzeit schon hohen Zinsen verliere Deutschland als Investitionsstandort weiter an Attraktivität. Zudem mehrten sich die Stimmen, die ein Ende der Durststrecke in den FNL vorhersagten.

Für die schwache D-Mark würde die Leitzinserhöhung nichts bringen. Die Stärke des Dollar sei politisch und psychologisch motiviert, und der Zinsabstand zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland bestehe bereits. Auch passe ein deutscher Zinsaufschlag angesichts der weltweiten Zinssenkungs-Tendenzen nicht in die Landschaft, schon gar nicht vor dem Londoner Wirtschaftsgipfel.

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