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KZ-Gelände illegal verhökert?

Ohne Bebauungs- und Flächennutzungsplan wird das ehemalige KZ Ravensbrück durch Supermärkte kommerzialisiert  ■ Von Barbara Geier

Berlin (taz) — Das gesamte Kabinett des Bundeslandes Brandenburg ist sich einig in seiner Ablehnung der Bebauung und kommerziellen Nutzung des ehemaligen KZ-Geländes Ravensbrück — und kann sie doch nicht verhindern. Der Bürgermeister der Stadt Fürstenberg hatte einen Teil des früheren Frauen-KZs, in dem zwischen 1939 und 1945 90.000 Häftlinge ihr Leben verloren, zum Schleuderpreis von acht Mark pro Quadratmeter an Gewerbetreibende verkauft (die taz berichtete). Damit habe die Stadt, so Hans Ansorg, Sprecher des Brandenburger Wissenschafts- und Kulturministeriums, „über Eigentum verfügt, das ihr nicht gehört“. Sein Minister, Hinrich Enderlein (SPD), hat öffentlich nicht nur eindringlich vor unsachgemäßer Gestaltung und Nutzung des Umfeldes ehemaliger KZs gewarnt, sondern auch festgestellt, daß die Baumaßnahmen ohne Einverständnis des Grundeigentümers erfolgten und gegen geltendes Baurecht verstießen. Das Gelände, zuletzt von der sowjetischen Armee genutzt, gehöre heute dem Bundesvermögensamt. Außerdem gebe es weder einen Bebauungs- noch einen Flächennutzungsplan. Ferner seien die Eigentümer der Nachbargrundstücke nicht angehört worden. Offensichtlich in Unkenntnis der entsprechenden Gesetze, beklagt Ansorg, habe der Kreis Ganzow dem Verkauf „fahrlässig zugestimmt“. Das für solche Fälle zuständige Landesinnenministerium kann, wie es hieß, dennoch nicht eingreifen, da es für die Kommunen nicht weisungsbefugt sei.

Inzwischen sind bereits Fakten geschaffen worden. Ein von „Kaiser's“ geplanter 3.000 Quadratmeter großer Supermarkt ist praktisch fertig. Ein vom Kabinett befürworteter sofortiger Baustopp könnte möglicherweise noch verhindern, daß ebenfalls in unmittelbarer Nähe des KZs ein Autohaus entsteht.

Verantwortlich für den Verkauf des Geländes ist der Fürstenberger Bürgermeister Wolfgang Engler („Es kann nicht angehen, daß die Gedenkstätte die Stadt Fürstenberg erdrückt“). Pikant ist, daß der heutige Sozialdemokrat und frühere Parteigänger der antifaschistischen SED bei dem Deal einen Ex-Genossen bedacht haben soll. Angeblich wird das geplante Autohaus von dem ehemaligen Parteisekretär Pinno der VEB Spezialbau Fürstenberg betrieben.

Mittlerweile bahnt sich auf dem Gelände des ehemaligen KZs Sachsenhausen ein weiterer Skandal an. Nach Auskunft des Enderlein-Ministeriums soll dort die frühere Hauptverwaltung aller Konzentrationslager zu einem Finanzamt umgebaut werden. Die Arbeiten hätten bereits begonnen. Und im Industriehof des Lagers Sachsenhausen soll an der Stelle, wo früher eine Gaskammer stand, ein Autobus-Unternehmen seinen Platz finden.

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