Tour d'Europe

■ Dein Bauch gehört dem Staat

Ganz egal in welchem Land Europas sie lebt, drohen frau Schikanen, wenn sie eine Abtreibung machen muß — fast überall dürfen ÄrztInnen, SozialarbeiterInnen, Pfaffen oder gar PolitikerInnen noch ihr Moralin dazugeben.

Am liberalsten und zugleich in der Öffentlichkeit weitgehend akzeptiert sind die Regelungen in den skandinavischen Ländern, allen voran Schweden, wo frau nach einem Gesetz aus dem Jahr 1975 eine Schwangerschaft bis zum Ende der 18. Woche abbrechen kann. Bis zur 12. Woche muß sie ihr Vorhaben lediglich einer ÄrztIn mitteilen, danach muß sie auch eineN SozialarbeiterIn konsultieren. Der Abbruch ist kostenfrei. Eingeschränkter ist die Regelung, die im Nachbarland Finnland seit Anfang der 70er Jahre gilt. Dort ist die Abtreibung bis zum Ende der 12. Woche legal und kostenlos, wenn medizinische, psychische, ethische oder soziale Gründe vorliegen. Frau muß vor der Abtreibung mit zwei ÄrztInnen sprechen.

Im Zentrum Europas ist die Abtreibungsfrage in den vergangenen Monaten wieder auf die politische Tagesordnung gekommen. Belgien, wo zuvor Abtreibungen verboten waren, führte im vergangenen Jahr ein relativ restriktives Indikationsmodell ein. Großbritannien senkte 1990 die maximale Frist für Abtreibungen von 28 auf 24 Wochen. Nach wie vor gilt dort ein weitgehendes Indikationsmodell. Zwei ÄrztInnen müssen dem Eingriff zustimmen, der staatlich finanziert wird. Frankreich hat ein Fristenmodell bis zum Ende der 12. Woche. Allerdings muß frau entweder eine medizinische oder eine eugenische Indikation gegenüber zwei ÄrztInnen nachweisen. 80 Prozent der Kosten werden erstattet. In den Niederlanden werden Frauen für mündig genug gehalten, zu entscheiden, ob sie bis zur 24. Schwangerschaftswoche einen Abbruch wollen. Der Eingriff ist kostenlos. In der Schweiz sind Schwangerschaftsabbrüche nur bei medizinischer oder psychischer Indikation legal. EinE zweiteR ÄrztIn muß dem Eingriff, der kostenlos ist, zustimmen.

In Griechenland erreichte eine große Koalition der Frauenbewegung, daß 1986 eine uneingeschränkte Fristenlösung bis zur 12. Woche eingeführt wurde. Der Staat bezahlt den Eingriff. Der Widerstand der Kirche gegen Schwangerschaftsabbrüche ist inzwischen verschwunden. Ganz anders im Nachbarland Türkei: Dort verhindern religiöse Einwände oft, daß Krankenhäuser Abtreibungen durchführen. Im Prinzip dürfen Türkinnen seit Mitte der 80er Jahre bis zum Ende des zweiten Monatas abtreiben, wenn ihr Ehemann zustimmt. Unverheiratete Frauen sind auf EngelmacherInnen angewiesen.

Im Nach-Wende-Osteuropa ist die Abtreibungsdebatte überall neu aufgeflammt. Noch gelten jedoch in vielen Ländern die alten Regelungen. In der Sowjetunion gestattet eine Fristenregelung die Abtreibung auf Wunsch der Frau bis zur 12. Woche. Kostenfrei ist der Eingriff jedoch nur bei medizinischer Indikation. In Ungarn muß frau den Eingriff seit 1973 schriftlich bei einer mehrköpfigen Kommission beantragen, der ein Arzt vorsitzt. Weitgehende Indikationen rechtfertigen den Abbruch bis zur 12. Woche. Frau muß eine geringe „Abtreibungsgebühr“ dazuzahlen. Erste Proteste christdemokatischer Abgeordneter zeigen, daß auch in Ungarn eine Debatte über Abtreibungen ansteht. dora