: Eine Debatte ohne Alternativen
Mit großer Mehrheit stimmten die Abgeordneten in Ljubljana der Annahme des Brioni-Kompromisses zu ■ Aus Ljubljana Heide Platen
Nach kaum dreistündiger Debatte hatte sich das slowenische Parlament gestern nachmittag entschieden. Um 14.30 Uhr stimmten die Abgeordneten der Deklaration von Brioni per Knopfdruck mit der großen Mehrheit von 189 bei 11 Gegenstimmen und 7 Enthaltungen zu. Jubel kam danach nicht auf, nicht einmal verhaltener Beifall. Die Frage von Parlamentspräsident France Bucar, ob das Thema im Anschluß noch weiter diskutiert werden solle, war rein rhetorisch. Nur sechs Abgeordnete wären dazu bereit gewesen. Er konnte nahtlos zur weiteren Tagesordnung übergehen.
Als erster hatte gestern mittag zu Beginn der Parlamentsdebatte der slowenische Präsident Milan Kucan sein moralisches Gewicht in die Waagschale geworfen, um die Mitglieder der zehn im Parlament vertretenen Parteien zur Annahme der Deklaration zu bewegen. Er mahnte, wie auch Parlamentspräsident Bucar und Ministerpräsident Lojze Peterle, zum Einlenken. Kucan nannte diesen Tag „eine Möglichkeit des ersten Tages des Friedens“ nach 15 Tagen Krieg. Diese Chance dürfe, auch im Sinne eines friedlichen Europas, nicht verschenkt werden. Die Brioni- Deklaration, wiederholte er mehrfach fast beschwörend, sei „ein Weg, ein Angebot“, um „im Interesse aller die Krise zu überwinden“. Dies gelte aber nicht nur für Slowenien, sondern für ganz Europa, das sich klarmachen müsse, daß „Raketen nahe den europäischen Metropolen gefallen sind“. Seinen Dank an die slowenischen Soldaten und die territoriale Verteidigung begleiteten alle Angeordneten mit anhaltendem Beifall.
Auch Ministerpräsident Peterle setzte auf weitere Verhandlungen im europäischen Kontext: „Wenn wir Jahrzehnte haben warten müssen, können wir jetzt auch noch drei Monate warten!“ Er erinnerte: „Vor 15 Tagen haben wir hier unsere Hände für die Unabhängigkeit erhoben!“ Dies gelte es zu bewahren, auch wenn „der Frieden das höchste Gut“ sei. Er betonte mit Blick auf die Abstimmung noch einmal die Geschlossenheit von Bevölkerung, Regierung und Parteien im Widerstand der letzten Tage. Dies sei eine „Überraschung“ für die Zentralregierung gewesen. Er appellierte auch für die anstehende Entscheidung an die Einigkeit des Parlamentes. Die kommenden drei Monate könnten dann genutzt werden, sinnvolle Wege für die Ökonomie des Landes zu finden.
Eine anschließende Aussprache für oder gegen die Deklaration fiel für die meisten Redner und wenigen Rednerinnen überraschend kurz und knapp aus. Sie begründeten einzeln, auch im Widerspruch zu den eigenen Parteien, ihr Abstimmungsverhalten. Für die Bauern erklärte ein Abgeordneter, er sei dafür, weil sie „ihr Feld in Frieden bestellen“ wollten. Das Gros der Abgeordneten sah das alles pragmatischer. Die knappeste Position beschrieb ein Liberaler in zwei Sekunden: „Es gibt keine Alternative!“ Er erhielt den meisten Beifall.
Die Entscheidung über die endgültige Annahme des Kompromisses zwischen Jugoslawien und Slowenien liegt nun beim Staatspräsidium in Belgrad. Dieses hat seine Zustimmung zunächst unter Hinweis auf Nichteinhaltung der Bestimmungen durch Slowenien verweigert. Angeblich — so die Bundesarmee — werden weiterhin dreißig Soldaten von der Bürgerwehr festgehalten. In Ljubljana wirft man der Armee dagegen vor, Reservisten zu mobilisieren und sie in Hubschraubern des Roten Kreuzes nach Slowenien zu bringen. Unterdessen gehen in Kroatien die Kämpfe ununterbrochen weiter. Angehörige der serbischen Minderheit brannten das von Kroaten bewohnte Dorf Celije nieder, die 160 Einwohner des Ortes flohen in Panik. Der kroatische Rundfunk meldete, daß eine Panzerkolonne der Volksarmee in der Nähe der Stadt Djakovo in Ostkroatien Stellung bezogen habe. Bekannt wurde außerdem ein geheimer Befehl des jugoslawischen Verteidigungsministers. Danach will die Armee mit „eiserner Disziplin“ für Ordnung in den eigenen Reihen sorgen. Trennen wolle man sich von Wankelmütigen und Defätisten.
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