: Ein Druckwasserreaktor mit Macken
■ In Osteuropa stehen sieben Doppelblöcke der sowjetischen WWER-440/V230-Reihe
Mit einem gewaltigen Paukenschlag katapultierte 'Der Spiegel‘ den im Westen bis dahin weitgehend unbekannten Meiler mit der Bezeichnung WWER-440/ V 230 im Februar 1990 ins öffentliche Bewußtsein: In Greifswald ticke die „Zeitbombe Tschernobyl Nord“, titelte das Magazin. Der Vergleich war zwar nicht ganz richtig, denn im Gegensatz zum Unglücksreaktor in der Ukraine arbeiten die sowjetischen Druckwasserreaktoren mit Blöcken zu je 440 Megawatt nach demselben Prinzip wie ihre westlichen Gegenstücke von Biblis bis Brokdorf. Als weitgehend zutreffend erwiesen sich aber bald die haarsträubenden Sicherheitsdefizite, die den Meilern nachgesagt wurden. In seltenem Gleichklang bescheinigten die Gesellschaft für Reaktorsicherheit und ihre atomkritischen Konkurrenten vom Öko- Institut den vier damals an der Ostsee betriebenen (und inzwischen stillgelegten) Blöcken eine ganze Serie konzeptioneller Mängel. Die Stähle der Reaktordruckbehälter waren durch den ständigen Teilchenbeschuß erheblich versprödet. Niemand konnte ausschließen, daß vorhandene Mikrorisse schlagartig aufreißen und den GAU auslösen. Die Sicherheitssysteme entsprachen nicht im mindesten westlichen Standards. Der Riß einer Hauptkühlmittelleitung hätte schnurstracks in die Katastrophe geführt. Probleme machten auch die schwer korrodierten Wärmetauscher. Elektrische Leitungen waren so verlegt, daß ein Feuer gleich alle Notsysteme hätte lahmlegen können. Die gesamte Leittechnik befand sich in einem erbarmungswürdigen Zustand. Außerdem entstanden Zweifel an der Zuverlässigkeit der Reaktormannschaften.
Was insbesondere die deutsche Öffentlichkeit unter dem Eindruck der Greifswald-Diskussion lange verdrängte: Die WWER-Meiler tickten nicht nur hierzulande. Neben den vier Blöcken in Greifswald heizten in Osteuropa weitere fünf Doppelblockanlagen dieser Baureihe vor sich hin: In der UdSSR in Nowoworonesch, auf der Halbinsel Kola und in Armenien (wegen Erdbebengefahr 1988 stillgelegt), in Bohunice (CSFR) und eben im bulgarischen Kosloduj. gero
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