Mit dem Radio den Wahlkampf eröffnen

Dem Mitteldeutsche Rundfunk, Drei-Länder-Anstalt, geht die Ahnung eines regierungstragenden Sprachrohres voraus  ■ Von Eberhard Löblich

Magdeburg/Dresden/Erfurt. Nun gibt es ihn, den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR). Jene Drei-Länder-Anstalt, von der Eingeweihte meinen, daß sie so schwarz eingefärbt ist, daß dagegen selbst der Bayerische Rundfunk noch eher linksliberales Profil habe. Die drei CDU-geführten Landesregierungen bastelten sich einen regierungstragenden Sender, den selbst konservative Fachleute für verfassungsrechtlich bedenklich halten.

Die Regierungen oder Regierungsfraktionen regieren unangefochten in den schon gegründeten oder noch zu gründenden Verwaltungs- und Kontrollgremien des MDR, was ihnen der von ihnen ausgehandelte Staatsvertrag durchaus auch zugesteht. Die ersten getroffenen Personalentscheidungen zeigen, wohin der Weg für den MDR gehen soll: Die Anstalt soll von vornherein auf Linie getrimmt werden. Gründungsbeauftragter des MDR wurde Volkram Gebel, ein Mann mit einschlägiger Vergangenheit. Er war Medienreferent in der Staatskanzlei des Ehrenwort-Ministerpräsidenten Uwe Barschel. Für den tüftelte er vor Jahren das schleswig-holsteinische Privatfunkgesetz aus. Klar, daß Gebel dann zum ersten Direktor der Landesmedienanstalt avancierte.

Nach Barschel-Affäre und Regierungswechsel in Schleswig-Holstein flüchtete Gebel in den Beraterkreis des Rundfunkbeauftragten Rudolf Mühlfenzl. Im Denken sind sich die beiden nicht fremd, dennoch blieb Gebels Engagement bei Mühlfenzel ein Zeitvertrag. Denn zum 1.Januar 1991 muß sich Mühlfenzl durch Überführung oder Abwicklung der „Einrichtung“ überflüssig gemacht haben. Folglich bleibt da auch für seine Mitarbeiter und Berater wenig Zukunft. Da kam der Ruf zum Gründungsbeauftragten goldrichtig. Gemeinsam mit seinen schwarzen Dienstherren tüftelte Gebel auch gleich den Gründunsintendanten des MDR aus: Udo Reiter, derzeit noch Hörfunkdirektor des Bayerischen Rundfunks. Und flugs hatte Gebel auch schon eine Personalliste für die Führungspositionen im MDR zur Hand, die angeblich sogar mit Reiter bereits abgestimmt war. Zu einer Zeit, als der noch gar nicht zum Intendanten gewählt war.

Und diese Liste liest sich wie ein „Who is who“ von abgehalfterten CDU-Sympathisanten. Henning Röhl, gerade erst als Chefredakteur von Tagesschau und Tagesthemen abgesägt, soll danach zum Beispiel Funkhausdirektor in Dresden werden. Und für das Landesfunkhaus Magdeburg ist danach Gerd Behnke ein aussichtsreicher Kandidat. Was nicht ohne Pikanterie ist. Behnke war Barschels Pressesprecher und wurde nach dessen tiefem Fall in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Jetzt wird für ihn also doch noch eine späte Karriere geschmiedet. Natürlich dachte Gebel bei seinen Personalplanungen auch und nicht zuletzt an sich selbst. Sein Name taucht gleich zweimal auf der Liste auf. Als Kandidat für den Programmdirektor Fernsehen und als juristischer Direktor der Gesamtanstalt. Ein gewiefter Mensch wie er weiß eben, wie gut es ist, gleich mehrere Eisen im Feuer zu haben.

Nur beim Rundfunkbeirat stieß die Gebel-Liste zunächst auf wenig Gegenliebe. Nicht daß die Herrschaften inhaltlich etwas einzuwenden gehabt hätten. Denn der Rundfunkbeirat, der in den kommenden Wochen und Monaten mit seinen Personalentscheidungen die Weichen für den MDR stellen wird, ist natürlich ebenfalls streng regierungslastig zusammengesetzt. Nein, die Mitglieder des Rundfunkbeirats wollten eigentlich nur einmal gefragt werden. Und weil Gebel das unterließ, drohte am vergangenen Sonntag zunächst sogar die Wahl seines Kandidaten Udo Reiter zum Gründungsintendanten vorerst zu scheitern. Erst als Gebel und Reiter sich zu versichern beeilten, daß es sich bei dieser Liste allenfalls um eine Gedächtnisstütze handele, um bloß keinen Namen eines potentiellen Kandidaten zu vergessen, ging Reiters Wahl einstimmig durch. Eine Vorentscheidung in Personalsachen des Mitteldeutschen Rundfunks sei diese Liste auf gar keinen Fall, beteuerten beide unisono.

Dann läßt sich erwarten, welche Führungsmannschaft auf den Mitteldeutschen Rundfunk zukommt. Fast alle Kandidaten für die Leitungsfunktionen des Senders kommen aus dem Westen, ein Großteil von ihnen vom Bayerischen Rundfunk, was die SPD-Oppositionsführer der drei Landtage inzwischen dazu veranlaßte, vor einer „Bajuwarisierung“ des MDR zu warnen. Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf kann unterdessen nichts Schlimmes an den strategischen Vorarbeiten der MDR- Macher erkennen. „Ich erwarte vom MDR, daß er dem Denken und Fühlen der Bürger in Sachsen, Sachsen- Anhalt und Thüringen in besonderer Weise Rechnung trägt.“ Wie er das bei dieser einseitigen politischen Ausrichtung und den andererseits schwindenden Sympathiewerten der Union in den neuen Ländern überhaupt noch können soll, bleibt allerdings Biedenkopfs Geheimnis. 1994 stehen in den neuen Ländern die nächsten Landtagswahlen an. Mit der Gründung des MDR haben die Regierungsfraktionen von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen aber den Wahlkampf schon jetzt eröffnet.