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Bezahlbar bleibt der Slum

■ Mieterverein stellt Erhebung vor: Miete bei neuen Verträgen innerhalb von drei Jahren verdoppelt/ Illegale Mieterhöhungen zunehmend akzeptiert

Berlin. Da haben wir's: Hauptstadt, Regierungssitz, wahrscheinlich auch Olympia — und jährlich rund 100.000 Wohnungssuchende mehr in Berlin. Allein 1990 zogen 62.000 Menschen nach Berlin, dieses Jahr werden es noch mehr. Der Berliner Mieterverein (BMV) sieht rot. »Schockierend ist die Normalität des Preisniveaus«, so Armin Henschel. Nicht nur die Spitzenwerte geben Anlaß zur Beunruhigung, sondern auch die Tatsache, daß mittlerweile sogar überhöhte Mietforderungen von den Mietern, die es gerade noch bezahlen können, als »günstig« empfunden werden.

Nach einer Vegleichserhebung des BMV von Juli 1988 und Juli 1991 hat sich die Miete bei Neuvermietungen inzwischen mehr als verdoppelt. Eine Monatsmiete von 22 Mark pro Quadratmeter ist nach den Zeitungsinseraten in West-Berlin inzwischen Durchschnitt. Eine Durchschnittswohnung (84 qm) kann sich ein Normalverdiener nicht mehr leisten: 1.900 Mark kalt würde sie kosten. Wer dagegen eine Wohnung für sieben Mark pro Quadratmeter angeboten bekommt, sollte gleich nach dem Abstand fragen: Der lag in einem Fall bei 20.000 Mark.

Doch die täglichen Hiobsbotschaften vom Wohnungsmarkt führen dazu, daß sich immer weniger Mieter gegen illegale Forderungen von Vermietern wehren. Überhöhte Abstandsforderungen werden als notwendiges Übel geschluckt, Mieten von 50 Prozent über dem Mietspiegel werden von Wohnungssuchenden akzeptiert, weil kaum noch Alternativen bestehen.

Zahlen über eine Abwanderung aus Berlin liegen dem BMV noch nicht vor, aber wer aus der Hauptstadt fliehen will, hat gleich mit dem nächsten Problem zu tun: dem Arbeitsplatz.

Allein die Freigabe der Neuvertragsmieten für die 500.000 West- Berliner Altbauwohnungen ist für die Entwicklung Berlins entscheidender, als die städtebaulichen Entscheidungen des Senats, so der Geschäftsführer des BMV, Hartmann Vetter. Seine Prognose ist düster: Künftig würden in der City nur noch die Reichen wohnen, rund herum ein bürgerlicher Gürtel entstehen und der Rest in »slumähnlichen Siedlungen« am Rande der Stadt leben.

Es gehe jedoch auch anders: In Wien sei die gewachsene Struktur durch Mietpreisbindungen erfolgreich konserviert worden, erzählt Vetter.

Auch in Berlin wäre es rechtlich kein Problem. Nach dem Baugesetzbuch ist es den Gemeinden möglich, ein Gebiet auszuweisen, wo Luxusmodernisierungen, die Umwandlung in Eigentumswohnungen oder der Abriß einer besonderen Genehmigung bedarf, die nicht nur die baurechtlichen Aspekte bewertet. In Berlin soll diese »Erhaltungssatzung«, so der BMV, jetzt erstmals im Stephanskiez in Tiergarten angewandt werden. Rochus Görgen

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