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Gerät Neukölln durch die Osthilfe ins Aus?

■ Neuköllner Bürgermeister Frank Bielka protestiert gegen Neubaustopp für Kitas und Schulen/ Preußischer Landtag »verfehltes Prestigeobjekt«

Berlin. Aus den Westberliner Bezirken kommt jetzt erstmals lautstarker Widerstand gegen Einsparungen und Umschichtungen in die Ostbezirke. Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) arbeite nach der »Rasenmähermethode«, protestierte gestern der Neuköllner Bezirksbürgermeister Frank Bielka (SPD). Pieroths Plan, im Westteil der Stadt grundsätzlich keine Neubauten für öffentliche Einrichtungen mehr zu finanzieren, sei nicht tragbar. Bei Investitionen müsse das »tatsächliche Versorgungsdefizit in den Bezirken zugrundegelegt werden und nicht die politische Geographie zwischen Ost und West«, forderte Bielka.

Gegenüber der taz wandte sich der Bürgermeister auch gegen den Ausbau des Preußischen Landtages zum neuen Sitz des Abgeordnetenhauses. Die neueste Kostenschätzung von 114 Millionen Mark habe er »mit Erschrecken« zur Kenntnis genommen. Ein solches »Prestigeprojekt« sei angesichts der knappen Finanzlage »verfehlt«.

30 Jahre lang sei der mit 320.000 Einwohnern größte Bezirk Berlins gegenüber Bezirken wie Zehlendorf und Kreuzberg benachteiligt worden, klagte Bielka. Nun drohe Neukölln erneut »in den Windschatten einer Entwicklung zu kommen«, die in den vergangenen Jahren einseitig Bezirke wie Kreuzberg und Schöneberg gefördert habe und künftig »möglicherweise Bezirke wie Prenzlauer Berg und Friedrichshain«. Mit Kitas, Jugendfreizeitheimen und Schwimmhallen sei Neukölln dürftiger ausgestattet als die meisten Bezirke im Westteil der Stadt. Aber auch im Vergleich mit vielen Ostbezirken schneide Neukölln schlechter ab. Während ein Bezirksmitarbeiter in Neukölln rund 45 Bürger betreuen müsse, betrage dieser Wert in Zehlendorf 37 und im Stadtbezirk Weißensee sogar 18.

Finanzsenator Pieroth wies die Neuköllner Kritik zurück. Sein Sprecher Thomas Butz verwies gestern auf Dringlichkeitslisten des Senats für den Neubau von Schulen und Kitas. Hier rangiere Neukölln nie auf den ersten Plätzen. Es sei außerdem falsch, daß im Westteil nichts mehr geschehen werde. Einzelne Ausnahmen von der Sperre seien nach wie vor möglich und würden vom Finanzsenator im Einzelfall geprüft. Darüber hinaus werde es »spätestens 1993« ein Grundschulsonderprogramm für den Westteil geben, mit einem Umfang von 1,2 Milliarden Mark. Die Zahl der Bezirksbeschäftigten in Ost und West sei nicht vergleichbar. Die Bezirke im Osten seien noch im Aufbau. Entlassungen müßten dort warten, um soziale Härten zu vermeiden.

Während die SPD-Fraktion zum Ausbau des Preußischen Landtages gestern keinen Kommentar abgab, verteidigte die CDU-Fraktion das Vorhaben. »Der Beschluß ist nun mal da, der wird jetzt umgesetzt«, sagte Fraktionsgeschäftsführer Klaus Rettel. Nach den Jahrzehnten der Untermiete im Rathaus Schöneberg, so Rettel, »wollen wir wieder unser eigenes Haus haben«. hmt

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