: Werbung im Reportagestil
Medienagenturen versorgen Hörfunkstationen mit unternehmerfreundlichen Radiobeiträgen ■ Von Susanne Stank
„Honorarfrei auf Sendung“ — mit diesem Slogan wirbt der Rundfunk- Themen-Service (RTS) für die Verbreitung seiner Produkte: Professionell gemachte Radiobeiträge, privatfunkgerecht, nie länger als zwei Minuten und dreißig Sekunden. Und das alles frei Haus. RTS ist nicht der einzige. Die Hörfunkstationen werden überflutet mit solchen verlockenden Angeboten. Wer würde da nicht einmal zugreifen? Besonders, wenn der Etat knapp ist, wie bei den meisten Privatradios in der Bundesrepublik. Die kostenlosen Sendebeiträge haben nur einen Haken: Sie werden natürlich doch bezahlt. Die angeblich journalistisch gemachten Themenkassetten werden bei den Agenturen von Unternehmen, Verbänden oder Ministerien in Auftrag gegeben. Sie zahlen mehrere tausend Mark dafür, daß ihr Image, ihre Produkte oder Meinungen bei den Hörern ins rechte Licht gerückt werden, ohne daß jemand auf die Idee käme, es könnte Werbung im Spiel sein.
Zu den Gratisprodukten, die da täglich auf den Schreibtischen der Radiomacher landen, gehören professionell gemachte Beiträge über Abfallentsorgung bei McDonalds, über den Kauftrend zum größeren Auto, über Versicherungsschutzbriefe oder das Recycling von Aluminium. Bezahlt sind diese Produktionen von McDonalds, Daimler Benz, dem ADAC und den Vereinigten Aluminiumwerken. Agenturen wie Büscher und Hofschulz in Bonn und der Rundfunk-Themen-Service in Remagen oder das Büro für Marketing und Medienservice in Offenburg kassieren von ihren Auftraggebern pro Hörfunkbeitrag zwischen 4.000 und 14.000 Mark. Dafür erstellen sie, wie die Herren unisono beteuern, Hörfunkbeiträge nach „journalistischen Kriterien“. Und das hört sich (stark verkürzt) dann so an: Mit der neuen Abfallentsorgung tut McDonalds etwas für die Umwelt; das größere Auto ist familienfreundlich, bequem und dient als fahrendes Büro der Humanisierung des Arbeitsplatzes usw.
Fachleute, die die Positionen des jeweiligen Geldgebers untermauern, lassen sich scheinbar immer finden. Zum Teil wird auch auf Mitarbeiter der zahlenden Unternehmen oder Verbände zurückgegriffen. Experten, die eine andere Meinung zu dem jeweiligen Thema haben, sind offenbar Mangelwaren. Vielleicht passen sie aber auch einfach nicht ins „journalistische“ Konzept. Dennoch betont beispielsweise Thomas Buschardt von RTS, daß er Einflußnahmen des Auftraggebers auf den Inhalt der Produktion nicht zuläßt.
Büscher und Hofschulz und RTS sind für diese Art von Journalismus Marktführer. Beide verschicken fast täglich einen Beitrag. RTS beglückt damit regelmäßig über 200 Sender im deutschsprachigen Raum. Dieser „Medieninformationsdienst“, der seine Büros im Hause des Verlages Rommerskirchen hat, welcher auch das Verbandsblatt des Deutschen Journalistenverbandes herausgibt, erzielt mit seinen Beiträgen eine durchschnittliche Reichweite von 36 Millionen HörerInnen. Der Offenburger Medienservice hat einen Beitrag nach eigenen Angaben schon einmal bei fast 40 Sendern mit einer technischen Reichweite von über 50 Millionen HörerInnen plazieren können. Darüber, welche Sender diese Produktionen ausstrahlen, herrscht bei den Agenturen jedoch Stillschweigen.
Die publikumsträchtige Stimmungsmache haben natürlich längst auch Ministerien und Verbände für sich entdeckt. In der Bonner Regierung mit Abstand am fleißigsten ist das Verteidigungsministerium. Über eine Tochtergesellschaft der angesehenen RUFA, einer Bonner Agentur, die Korrespondentenberichte aus aller Welt für den Hörfunk produziert, läßt das Verteidigungsministerium allwöchentlich vier Radiobeiträge erstellen. Die Kassetten zum Beispiel über mehr Wohnkomfort für Soldaten oder andere Bereiche des schönen Lebens beim Bund werden an rund 150 Sender kostenlos verschickt. Redaktionell arbeitet das Ministerium selbst an den Beiträgen mit. Eine Verquickung von Staat und Medien, die die Sender nicht zu irritieren scheint. Oberstleutnant Wendt von der Abteilung Neue Medien schätzt, daß zwei Drittel der belieferten Stationen die Beiträge häufig nehmen. Und die tun natürlich so, als wären die Einblicke und Informationen auf ihrem eigenen Mist gewachsen.
Unter den Interessensverbänden, die diese Art von Werbung unter dem Deckmäntelchen des Journalismus zur Verbreitung ihrer Botschaften selbstverständlich auch nutzen, ist der Bayerische Bauernverband stolz darauf, einer der ersten gewesen zu sein. Bereits vor vier Jahren hat der Bauernverband seinen Radioservice eingerichtet. Monatlich werden ein bis zwei Beiträge an fast alle bayerischen Privatstationen verschickt. Meistens erklärt der Verbandspräsident persönlich, daß Pflanzenschutzmittel zur Sicherung der Erträge der Bauern unabdingbar sind oder daß die Wiedervereinigung nicht auf dem Rücken der Bauern ausgetragen werden darf. Um den Anschein von neutraler Berichterstattung zu erwecken, läßt er sich von der selbst bezahlten Journalistin eine oder zwei Fragen stellen.
Wesentlich cleverer gemacht ist da ein Produkt der PR-Agentur „Die Hinzens“, das Wirtschafts-Telegramm. Das sind Wirtschaftsnachrichten, die im Auftrag der Zeitschrift 'Wirtschaftswoche‘ einmal wöchentlich, jeweils am Vortag des Erscheinens der Zeitschrift, von 19 Regionalsendern und dem bundesweiten Kabelsender Radio RTL ausgestrahlt werden. Die Nachrichten entsprechen den Schlaglichtern der jeweiligen Ausgabe der Zeitschrift, sind sonst aber von redaktionellen Nachrichten nicht zu unterscheiden. Sie laufen in den Sendern selbstverständlich ohne Werbejingle mit der Ankündigung und Absage „Aktuelles aus der Wirtschaftswoche“. Die Sender erhalten das Wirtschaftstelegramm kostenlos, zusätzlich erscheinen sie in der 'Wirtschaftswoche‘ alle zwei Wochen kostenlos in einer Anzeige mit Frequenz und Sendeplatz. Billiger kann Werbung kaum sein.
Beim privaten Hörfunk sind diese kostenlosen Wortbeiträge in der Regel sehr beliebt. Je kleiner der Sender, desto knapper der Etat, desto eher wird darauf zurückgegriffen. Dementsprechend anfällig für diese Art von Journalismus sind die Privatsender in Bayern. Der Freistaat hat mit rund 40 lokalen Privatstationen so viele Sender zu bieten wie kein anderes Bundesland. Reichweiten und finanzieller Etat sind entsprechend gering. An die große Glocke hängen will das Ausstrahlen solcher fremd produzierter Beiträge jedoch kaum einer.
Die meisten Sender machen eine Ausstrahlung davon abhängig, „ob viel Werbung darin vorkommt“ und ob „darin PR für bestimmte Produkte gemacht wird“. Dabei ist die Sensibilität in Sachen Werbung oder Journalismus offenbar sehr unterschiedlich ausgeprägt. Grundsätzlich ablehnend äußerte sich bei einer Stichprobenbefragung in Bayern nur Charivari München. Die meisten anderen Sender können sich diese „puristische Einstellung“, so die Worte des ehemaligen Chefredakteurs von Radio Gong in Würzburg, Jürgen Höfle, nicht leisten.
Wem das fertig produzierte Material nicht ausreicht, der kann auch auf eine andere Art der Vorarbeit durch Werbeagenturen zurückgreifen. Die Hinzens versorgen beispielsweise täglich mehr als 100 Redaktionen mit Themenlisten. Zu jedem Thema liefert die Agentur Anmoderation, Fragenvorschläge und einen Interviewpartner. Das Ganze ist für die Redaktionen kostenlos, wenn im Radio Unternehmen oder Verband des Gesprächspartners mindestens einmal genannt wird.
Die meisten Moderatoren, so die Erfahrungen der Hinzens, halten sich an die Vorschläge für Anmoderation als auch Fragen, die der Selbstdarstellung freien Lauf lassen. Die HörerInnen sind dieser Imagepflege hilflos ausgesetzt. Am Mikrofon sitzt ja der Moderator ihres Privatsenders, der Sprecher, der ihnen vertraut ist. Wie sollte da der Verdacht aufkommen, daß die Werbewirtschaft ihm die Worte in den Mund gelegt hat und nicht die Redaktion des Senders?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen