: „Ein sehr, sehr wunderbarer Tag“
Südafrikas Regierung jubiliert, doch ANC und Kirchen kritisieren die Sanktionsaufhebung der US-Regierung als „verfrüht“ ■ Aus Johannesburg Hans Brandt
Die südafrikanische Regierung hat die Aufhebung von Sanktionen durch die USA mit großer Freude begrüßt. „Dies ist ein sehr sehr wunderbarer Tag für uns“, sagte Außenminister Pit Botha vor der Presse. Aber fast alle schwarzen Oppositionsgruppen, darunter der Afrikanische Nationalkongreß (ANC), der Panafrikanistische Kongreß (PAC) und der Südafrikanische Kirchenrat (SACC) haben die Ankündigung von Präsident George Bush als „verfrüht“ verurteilt.
Die Aufhebung der Sanktionen werde „zur Wiederbelebung der Wirtschaft beitragen und damit allen Südafrikanern zugute kommen, vor allem den Benachteiligten, die am schwersten unter Sanktionen gelitten haben“, sagte Südafrikas Präsident Frederick De Klerk am Mittwoch abend in Pretoria. De Klerk lobte Bush für seinen Widerstand gegen Druck von außen, der die Aufrechterhaltung von Sanktionen erreichen sollte. „Präsident Bush ist ein mutiger Mann, dessen Wort man glauben kann“, sagte De Klerk.
„Das Wichtigste an dieser Entscheidung ist ihre psychologische Auswirkung“, sagte Außenminister Botha. Er betonte, daß die Verabschiedung des US-amerikanischen Sanktionsgesetztes 1986 „eine enorm schädliche Auswirkung auf die Wachstumsrate in Südafrika“ gehabt habe. „Wir können jetzt wirklich hoffen, daß Südafrika ein größeres Wirtschaftswachstum erzielen wird“, sagte er. „Wir hoffen, daß dies zur Aufhebung von Sanktionen in der ganzen Welt führen wird.“ Botha hob hervor, daß vor allem afrikanische Länder ihren Handel mit Südafrika ausweiten könnten.
Es sei unverantwortlich, Sanktionen aufzuheben, wenn eine der Bedingungen, die Freilassung politischer Gefangener, nicht erfüllt sei, erklärte hingegen SACC-Generalsekretär Pastor Frank Chikane. Er wies darauf hin, daß der südafrikanischen Menschenrechtskommission zufolge noch immer 850 politische Gefangene in südafrikanischen Gefängnissen sitzen. „Wir befürchten, daß die verfrühte Aufhebung von Sanktionen einen der wichtigsten Gründe, die die Veränderungen der südafrikanischen Regierung motivieren, entfernt“, sagte Chikane.
Die US-Administration hat in der vergangenen Woche jedoch schon betont, daß sie sich an eine eigene Defintion dessen, was einen politischen Gefangenen ausmacht, hält. Bush betonte in Washington, daß dieser Definition zufolge alle politischen Gefangenen auf freiem Fuß sind. Die südafrikanische Regierung hat in den letzten Monaten mehr als 1.000 Gefangene freigelassen, die aufgrund politisch motivierter Taten verurteilt worden waren.
Der neue ANC-Generalsekretär Cyril Ramaphosa sagte vor der Presse, daß auch die andauernde politische Gewalt in Südafrika eine Aufhebung der Sanktionen hätte verhindern sollen. Der Sinn des US- amerikanischen Gesetzes sei es gewesen, Verhandlungen in Südafrika zu erzwingen. „Aber die Gewalt hat zu einer Situation geführt, wo es kein Klima für freie politische Betätigung gibt“, sagte Ramaphosa. Er betonte andererseits, daß eine Reihe von Sanktionen in den USA nach wie vor bestehen, darunter das „Gann Amendment“, das IWF-Kredite an Südafrika verbietet, und Sanktionen auf Bundesstaat- und Stadtebene.
Die ANC-Konferenz letzte Woche hatte in einer Resolution betont, daß Sanktionen aufrechterhalten werden sollten. „Die internationale Gemeinschaft sollte gedrängt werden, auf die Stimme der demokratischen Kräfte zu hören“, heißt es in der Resolution. „Sie sollte nicht versuchen, das Apartheidregime zu belohnen.“ Der ANC schlug statt dessen einen Dreistufenplan vor, der mit der Beseitigung aller Hindernisse auf dem Weg zu substantiellen Verhandlungen beginnt. Dieses Stadium ist dem ANC zufolge noch nicht erreicht. Das bedeutet, daß der ANC zur Zeit keine Entfernung von Sanktionen oder Boykotten unterstützt.
Der Plan des ANC hat sich allerdings nicht durchgesetzt. Bush telefonierte noch am Mittwoch mit ANC-Präsident Nelson Mandela, um ihn über die bevorstehende Aufhebung der Sanktionen zu informieren. Mandela konnte Bush nicht umstimmen. Die Versuche des ANC, den Sanktionsdruck auf die südafrikanische Regierung aufrecht zu erhalten, scheinen zum Scheitern verurteilt zu sein. Das wurde auch betont durch die am Dienstag beschlossene Wiederaufnahme Südafrikas in das Internationale Olympische Komitee und in den Internationalen Kricketrat.
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