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Schrifttänzer, Sprachmusiker

■ Geheimschrift aus Körpern / Tänzer proben die „Reise zum Mittelpunkt der Erde“

Donnerstag, 18.00 Uhr. Drei ohnehin schon schwitzende New Dancer und eine Hand voll ZuschauerInnen versammeln sich im ersten Stock des Kontorhauses in der Schildstraße zur öffentlichen Probe. Das Stück heißt: „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“, was eigentlich der Titel eines Buches von Jules Verne ist.

„Wirklich eine Probe, nichts Fertiges, nur Sequenzen“, kündigt der Ideenlieferant und Konzept-Entwerfer Matthias Früh an. Die ZuschauerInnen, alle „vom Fach“, lümmeln sich auf dem Parkett und lassen sich in die Geheimnisse der Jules Verne-Reise und die Geheimnisse des künstlerischen Entwicklungsprozesses einführen.

Mittelpunkt der Erde — da zieht die Schwerkraft. „Rolf, komm' doch mal her“. Matthias demonstriert an Rolf Hammes, wie er als Tänzer mit Rolfs Masse umgeht: steigt über ihn, hält ihn, dreht ihn.

„Die Sprache ist die zweite Ebene“, sagt Matthias und hockt sich mit Rolf auf den Boden, die Blätter mit der Ton-Text-Komposition von Frank Schwemmer aus Berlin vor sich. Metronomisch und des Sinnes beraubt schlagen die Stimmen der Tänzer den Text:

hierhin bitte das

Foto von den drei

Tänzern im Hocksprung

Körper als Schleudern und beschleunigte Massen. Im Mittelpunkt der Erde residiert Ihre Majestät, die Schwerkraft.Foto: Bri Mayer-Lamps

„Drei, vier: zi li nä — itzack iiih chr eh uh“, und die zweite Stimme erhebt sich darüber, kalt wie eine Comuterstimme: „Soetwashabe ichüberhauptnochnicht gesehengeradezuwirr!“ Die Textfrag

mente sind Klangmaterial, im Jandlschen Sinne verfremdet. Der Inhalt wird dadurch abstrakt und zugleich sinnlich wie ein Musikstück.

Anschließend zeigen sie das ganze zusammen mit dem Tanz. Matthias und Rolf zeichnen mit ihren Körpern eine Struktur nach dem Rhythmus des atonalen Gesangs auf den Boden. Der eine ist dabei der Spiegel des anderen. Ihre Stimmen machen die Musik zum Tanz.

Der Weg in die Erde ist so spannend wie mühsam. Eine Expedition aus Kampf und Liebe. Leise flüsternd proben Matthias und Rolf die Probe, indem sie den Ablauf provisorisch anspielen: „So, und dann so. Paß auf, das ist sehr eng da,“ sagt Rolf. „Ja, ich passe auf“, verspricht Matthias.

Text: „Wennwir nochdauerndhorizontalgehenkanneslangedauernbiswirwasserfinden.“ Wie angeseilt über einem Abgrund hängen sie ineinander und malen dennoch unbeirrbar und grüblerisch Zeichen auf den Boden. Verschiedene Varianten des kontaktimprovisierten Schwitzkastens münden darin, wie Matthias den Rolf kopfüber herumwirbelt, als sei er abgestürzt und taumelte, am Seil hängend, immer knapp an der Felswand vorbei — immer kanpp an Wand und Boden vorbei.

Matthias erklärt, wie er nach einfachen Bewegungen mit Schwerkraft gesucht hat und auf das Hüpfen gekommen ist. Die Zuschauerinnen lachen. Nach der Sing-und Hüpf-Sequenz schnaufen die Sänger-Hüpfer mächtig.

Vor Steffens Auftritt verschwinden alle im Off. Steffen springt in den Raum und bleibt im Sprung erstarrt an der Wand kleben, zweidimensional wie ein Schatten, als hätte eine bis dahin unbekannte physikalische Kraft ihn gepackt. Die Wand hält ihn und begrenzt ihn in der Bewegung. Aus dem Off ruft es: „Amtagalsdie elektrischenapparatekamen verlordiehaushälterindenkopf ih ih ih ...“ Beate Ramm

Premiere ist am 23. August im Freiraum Theater. Vorbestellungen über Impuls, 4989494.

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