: Immer die anderen!
■ betr.: "Zur Vernunft genötigt", taz vom 6.7.91
betr.: dito
Kann man von Micha Brumlik als Frankfurter Juden verlangen, daß er eine gewaltfreie, rationale, auf den Völkerrechten beruhende Lösung der Mittelostkrise propagiert? Ich meine ja, genauso wie ich dies von den Palästinensern verlange. Nur so ist eine dauerhafte, stabile und humane Lösung möglich. Außerdem müßte ihn die massive Kritik der Linken und der Friedensbewegung an seiner Position zum zweiten Golfkrieg nachdenklich gemacht haben. Ein Henryk Broder versucht diese ja inzwischen mit dem Rücken an der Wand als „linken Antisemitismus“ zu diskreditieren — ohne Erfolg, denn der Scherbenhaufen von Bush, Schwartzkopf und Co. wird immer größer.
Aber auch Brumlik hat immer noch nichts gelernt. Angesichts einer „amoklaufenden Shamir-Regierung“ sollen ausgerechnet nur die Opfer, die Palästinenser, „vernünftig sein“? Sieht er nicht, daß jetzt internationaler Druck auf die israelischen Machtideologen und Ewiggestrigen (und weniger auf die PLO) nötig ist, um endlich zu rationalen Verhandlungen zu kommen? Und dies können nicht nur zweiseitige Verhandlungen sein, da alle Nachbarn ihre Probleme mit dem israelischen Ausdehnungsdrang haben. Es ist doch wohl das israelische Regime und nicht die PLO, die sich einer akzeptablen und ausgewogenen Friedenslösung widersetzt!
Ein schaler Beigeschmack kommt auch bei mir auf, wenn Brumlik von den Palästinensern den Verzicht auf Steinwürfe verlangt. Dies von einem (ehemaligen) Grünen, der noch vor kurzem eine ganze Landesversammlung in Hessen damit erpreßte, daß es für Israel ein legitimes Selbstverteidigungsrecht mit Patriot-Raketen gebe. Immer die anderen! Und er will die Palästinenser wegen ihres unvernünftigen Steinewerfens belehren!
Wer ein bißchen Grips im Kopf hat, weiß doch, daß mittelfristig kein Weg an einem Staat Palästina vorbeigeht — notfalls auch ohne Israel. Jede jüdische Familie, die bewußt in den Westbanks siedelt, müßte aufgrund der Rechtslage wissen, daß irgendwann ihre Umsiedlung droht. Da gibt es überhaupt keinen Zeitdruck.
Daß Brumlik seinen schwindenden Einfluß in der Friedensbewegung beklagt, ist nur zu verständlich. Allerdings erstaunt mich, daß die taz ihm und seinen Mitklagern immer noch übermäßig viel Raum zur Selbstdarstellung bewilligt. Es gibt ja gottlob noch andere — israelische und arabische — Stimmen, die aber in der taz nicht so häufig wie Brumlik, Broder und Co. zu lesen sind. Wolfgang Ehmke,
Taunusstein
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