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Irak gibt nach und legt Atomliste vor

■ Iraker übergaben der IAEO offenbar dritte Liste mit Atomanlagen/ Mitterrand droht mit Militäreinsätzen/ Kurdenführer Talabani, Barsani und PLO-Chef Arafat in Bagdad

Berlin (taz/afp/ap/dpa) — Der Druck des Weltsicherheitsrates und die amerikanische Drohung mit neuen militärischen Schlägen haben offenbar gewirkt: Der Irak hat der Delegation der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) gestern morgen eine neue Liste seiner Atomanlagen übergeben. Das erfuhr 'afp‘ aus der Umgebung der UN-Mission in Bagdad. Die Aufstellung soll heute dem UN-Sicherheitsrat vorgestellt werden. Eine in der vergangenen Woche vorgelegte Liste enthielt nach Angaben des Leiters der UN-Mission in Bagdad, Dimitri Perricos, nur Anlagen, deren Material zerstört, eingegraben oder eingelagert war. Jetzt wollten die Experten Einrichtungen sehen, die zur Entwicklung, zur Herstellung oder zur Anwendung von Atommaterial gedient hätten. In einer ersten Liste vom 27. April hatte Bagdad nur 24 atomare Einrichtungen aufgeführt.

Die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats hatten dem Irak am Freitag nach Angaben von UN- Diplomaten ein Ultimatum für die Offenlegung aller Informationen über die irakischen Atomanlagen bis zum 25. Juli gestellt. Bagdad wird darin mit „schwerwiegenden Konsequenzen“ gedroht, falls es weitere Einzelheiten verheimliche. UN- Experten, die im Irak eine genaue Bestandsaufnahme des irakischen Nuklearpotentials vornehmen sollten, waren bei ihrer Mission von den irakischen Behörden mehrfach behindert worden. Nach Bagdader Darstellung gab es drei geheime Programme zur Urananreicherung, die jedoch nur friedlichen Zwecken gedient hätten.

Frankreichs Präsident Fran¿ois Mitterrand hatte gestern ein militärisches Vorgehen gegen Irak als gerechtfertigt bezeichnet, falls der Irak Atomwaffen herstelle oder „die gepeinigte und verfolgte Bevölkerung“ im Irak geschützt werden müsse. In London berichtete der 'Sunday Telegraph‘, daß auch Großbritanniens Premierministrer John Major neue Militäraktionen erwäge. Verteidigungsexperten spekulierten, daß der Rückzug der Aliierten aus dem Nordirak die Möglichkeit für Luftangriffe beinhalten könne.

Iraks Außenminister Ahmed Hussein el Chodair, schrieb an den Generalsekretär der Arabischen Liga, Ismat Abdel Meguid, in Kairo und bat um eine dringende Sondersitzung der 21 Mitglieder. In einer Botschaft an UNO-Generalsekretär Javier Perez de Cuellar beklagte Hussein laut Radio Bagdad außerdem, daß die USA UNO-Resolutionen als Deckmantel und Legitimation für neue Angriffsdrohungen nutzten. Er appellierte an den Sicherheitsrat, sich dieser Politik entgegenzustellen.

Kurdenführer für Sanktionsaufhebung

Unterdessen konnte der Irak nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur 'INA‘ wichtige politische Unterstützung für die Aufhebung der UN-Sanktionen gewinnen. Der Chef der Patriotischen Union Kurdistans (PUK), Dschalal Talabani, forderte danach den UN-Sicherheitsrat auf, das Wirtschaftsembargo gegen den Irak aufzuheben. Unterdessen nahm Massud Barsani, der Chef der Demokratischen Partei Kurdistans (DPK), seine Verhandlungen mit der irakischen Führung über ein autonomes Kurdistan wieder auf. Ein Abkommen soll möglichst bis zum Mittwoch abgeschlossen sein, wenn die Iraker ihren Nationalfeiertag begehen. Barsani war am vergangenen Mittwoch zusammen mit Talabani nach Bagdad gekommen. Der gemeinsame Bagdad-Aufenthalt beider Kurdenführer erstmals seit Beginn der Verhandlungen im April führte zu Spekulationen, daß die Unterzeichnung eines Vertrages unmittelbar bevorstehen könne. Beide waren mit Präsident Saddam Hussein und dem UN- Beauftragten für humanitäre Angelegenheiten, Sadruddin Aga Khan, zusammengetroffen. Auch Aga Khan schließt nach Presseberichten eine Lockerung der Sanktionen nicht aus, wenn sich der Irak sich strikt an die Sanktionen halte.

Auch PLO-Chef Jassir Arafat traf am Samstag zu seinem ersten Besuch in Bagdad seit dem Golfkrieg ein. Die staatliche Nachrichtenagentur 'INA‘ meldete, Arafat sei von Staatspräsident Saddam Hussein empfangen worden. Arafat hatte sich während des Golfkrieges auf die Seite Saddams gestellt. Am Sonntag traf sich der PLO-Chef mit Jordaniens König in Amman.

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