piwik no script img

Autonome und Theo Waigel gegen die Expo

In den Verhandlungen mit Helmut Kohl über die Finanzierung der Weltausstellung in Hannover hat Gerhard Schröder schlechte Karten/ Mit Tricks will Rot-Grün Bonn zum Hauptfinanzier machen/ Nur der Großraum Hannover will seine Expo  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

Schwarz-rote Feuerzeuge beidseitig beschriftet mit „Zum Teufel mit der Expo“ und „Expo — wir lieben dich brennend“ waren allenthalben an den Ständen des „Expositionsfestivals“ zu kaufen, das die hannoverschen Weltausstellungsgegner von autonom bis grün am Wochende auf dem Universitätsgelände organisierte hatten. Man konnte dort beim „Exponopoly“ mitmachen, einer Mischung aus Würfel und Rollenspiel, bei dem die kleinen Leute immer verlieren oder sich gründlichen über die katastrophalen Auswirkungen der Expo 92 auf den dortigen Wohnungsmarkt informieren. Doch am Ende waren es kaum 1.000 Expo- Gegner, die den Weg zum dem Anti- Expo-Festival fanden.

Außerhalb des Großraumes Hannover kümmert sich bisher kaum jemand um die Weltausstellung, mit der nach Lesart der rot-grünen Landesregierung unter dem Motto Mensch — Natur — Technik in Hannover „das dritte Jahrtausend beginnen“ soll. In der Leinemetropole selbst ist trotz erwiesenermaßen negativer Folgen für Ökologie und Wohnungsmarkt die Zustimmung zu der Ausstellung inziwschen auf 65 Prozent der Bevölkerung angewachsen. So waren denn Expo-Gegner, wie der hannoversche grüne Landtagsabgeordnete Pico Jordan, denen es vor den 30 bis 50 Millionen Ausstellungsbesuchern graut, denn auch hoch erfreut, als der FDP-Vorsitzende Otto Graf Lambsdorf und Finanzminister Theo Waigel in der vergangenen Woche die Weltausstellung für nicht finanzierbar erklärten. „Endlich eine gute Nachricht aus Bonn — mit lautem Glockengeläut wird die Expo zu Grabe getragen“, ließ der grüne Abgeordnete frohlockend erklären. „Stinksauer“ und alarmiert reagierte dagegen der eingefleischte Expo-Fan Gerhard Schröder, der zuletzt sogar massiv Druck auf die hannoversche SPD ausgeübt hatte, um eine Bürgerbefragung zur Expo zu verhindern und damit den Expo-Gegnern jeden Ansatzpunkt für eine Kampagne gegen die Ausstellung zu nehmen. Der Ministerpräsident, der sonst allenthalben für Plebiszite eintritt, vereinbarte nach den Hiobsbotschaften aus Bonn noch von seinem Urlaubsort auf Wangeroge aus ein persönliches Gespräch mit Helmut Kohl über die Zukunft der Expo.

Gerhard Schröder wird allerdings mit denkbar schlechten Karten in die Runde mit Bundeskanzler Kohl gehen, die zumindest für die niedersächsischen Staatskanzlei nun „sofort nach der Sommerpause stattfinden“ wird. Es kann nämlich keine Rede davon sein, daß „sich Bonn vertraglich zur Expo-Mitfinanzierung verpflichtet hat“, wie die 'Hannoversche Allgemeine‘ jüngst auf ihrer ersten Seite behauptete. Um Bonn im Jahre 1988 überhaupt für eine Expo in Hannover zu gewinnen, hatte der damalige Ministerpräsident Ernst Albrecht in einem Schreiben an den Bundeskanzler klargestellt, daß „die Durchführung der Weltausstellung ohne finanzielle Unterstützung des Bundes gesichert ist“. Zur gleichen Zeit sagte auch die damalige niedersächsische Wirtschaftministerin Birgit Breuel schriftlich ihrem Bonner Amtskollegen Martin Bangemann dasselbe zu. In dem bisher einzigem Kabinettsbeschlusses des Bundes zur Expo heißt es, daß die Bundesregierung beim Pariser Expo-Büro „die Registrierung einer Universal-Weltausstellung beantragt, die das Land Niedersachsen in Hannover veranstalten will“.

Die generöse Haltung Niedersachsens in Sachen Expo-Finanzierung änderte sich erst, als im vergangenen Jahr Rot-Grün in Hannover ans Ruder kam. Die rot-grüne Koalitionsvereinbarung forderte nicht nur mit blumigen Worten ein Expo-Konzept, „auf dessen Grundlage eine an Ökologie und Lebensqualität orientierte Stadt- und Regionalplanung realisiert werden kann“. Sie verlangte auch, daß „parallel dazu die Finanzierung der Weltausstellung geprüft werden muß“. Diese Prüfung sei bisher noch nicht abgeschlossen, erklärte am Freitag der niedersächische Regierungssprecher Uwe Karsten Heye. Der einstige grüne Verhandlungsführer und heutige Bundesratsminister Jürgen Trittin hoffte von vornherein, daß die Expo am Widerstand Bonns gegen deren Fianzierung scheitern werde. Bis heute fehlt ein förmlicher Beschluß des rot-grünen Landeskabinetts zur Expo, allen Milliardenforderungen an Bonn zum Trotz sind in dem unter Sparzwängen leidenden Entwurf des Landeshaushalts 1992 für die Expo lediglich 2,5 Millionen an Planungskosten ausgewiesen.

Mehr oder minder trickreich hat denn auch die Staatskanzlei in Hannover in den vergangenen zwölf Monaten versucht, Ernst Albrechts Konzept einer rein niedersächsischen Expo hinter sich zu lassen und Bonn als Hauptfinanzier der Ausstellung einzuspannen. Als wenn die Bundesrepublik solcherlei Aufgaben nicht schon zu genüge hätte, erklärte etwa schon vor Monaten Ministerpräsident Schröder „die Expo 2000 zur nationalen Aufgabe, bei der jetzt der Bund gefordert ist“. Zuvor hatte Niedersachsen in Bonn Finanzbedarf für die Expo in Höhe von 4,2 Milliarden DM angemeldet. Mit 3,2 Miliarden sollte Bonn zu 80 Prozent die Kosten der Erschließung des Expo-Geländes durch Straßen, U- und S-Bahnen übernehmen, mit einer weiteren Milliarden sich am geschätzten Gesamtdefizit der Ausstellung beteiligen. Gerade diese Schätzung hat es allerdings in sich. Ohne daß bisher auch nur eine genaue Expo-Planung existieren würde, legte Niedersachsen daß Defizit der Ausstellung einfach auf zwei Milliarden fest und verlangte anschließend von Bonn, daß sich Bund, Land und Stadt Hannover im Verhältnis 50:40:10 an einer nun zu gründenden Expo-Entwicklungsgesellschaft zu beteiligen hätten. Dieser Zahlenschlüssel solle auch für alle weiteren Expo-Gesellschaften gelten, so Regierungssprecher Heye am Freitag, wodurch dann der Bund endgültig den Löwenanteil der Kosten zu tragen hätte, die ja bei solchen Großprojekten im Laufe der Zeit immer auf ein Mehrfaches anzuwachsen pflegen. Sogar die Expo- Befürworter im Bundeskabinett, wie der aus Niedersachsen stammende Kanzleramtsminister Rudolf Seiters, machen denn auch Zusagen des Bundes von einem Konzept über die Finanzierung der Expo abhängig. Solchen Forderungen hält Regierungssprecher Heye hintersinning entgegen, daß das „Feinkonzept der Expo“ eben erst von jener Entwicklungsgesellschaft erarbeitet werden solle, deren gemeinsame Gründung der Bund bisher verhindert hat.

Gerhard Schröder hat für sein Gespräch mit dem Bundeskanzler über die Expo schon vorab zwei „Essentials“ festgeklopft, die „nicht verhandelbar sind“. Zwar bekundete nun auch der Ministerpräsident nun den Willen, die „Expo 2000 nach dem Prinzip äußerster Sparsamkeit zu realisieren“, doch der teure Ausbau des Nahverkehrs und eine „ökologische Umsetzung des Mottos Mensch — Natur — Technik bleiben für Schröder Grundvoraussetzungen der Ausstellung. Ein Lunapark oder eine Walt-Disney-Landschaft in Hannover kommen für Schröder weiterhin nicht in Frage. Da das Besondere aber schon immer etwas teurer war, können Hannovers Expo- Gegner angesichts der Haushaltslagen in Bonn und Hannover noch darauf hoffen, daß die Möchtegernweltstadt an der Leine mit den Weltstädten Wien und Venedig gleichzieht und die Expo auch hier ins Wasser fällt. Möglich ist eine Absage beim Pariser Weltausstellungsbüro bis ins nächste Jahr hinein, offiziell zuständig für die Absage ist die Bundesregierung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen