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Stasi steuerte Bonner Skandale

Berlin (afp) — Zwei der größten Polit-Affären in der Bundesrepublik sind von Stasi-Offizieren aus der DDR-Spionageabteilung unter Markus Wolf ausgelöst und gesteuert worden. In einem Gespräch mit dem 'Spiegel‘ enthüllten zwei ehemalige Oberleutnants des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), sie hätten mit verfälschten Protokollen die Telefonabhöraffären um den CDU-Vorsitzenden Helmut Kohl 1975 und den CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß 1978 inszeniert. Die beiden Affären, die bisher von verschiedenen Untersuchungsgremien nicht restlos aufgehellt wurden, können nach Ansicht des 'Spiegel‘ nach dem Geständnis der Ex-Offiziere Herbert Brehmer und Günter Bohnsack als geklärt betrachtet werden. Danach habe die Stasi-Abteilung Desinformation ein von Ostberliner Abhörexperten mitgeschnittenes Telefonat zwischen dem CDU-Vorsitzenden Helmut Kohl und seinem damaligen Generalsekretär Biedenkopf 1975 in ein Lauschprotokoll eines US-Geheimdienstes umfrisiert. Die Aktion sollte nach Angaben der Stasi-Offiziere den Eindruck erwecken, „als würden deutsche Spitzenpolitiker von amerikanischen Diensten belauscht“. 1978 soll ein Telefonat zwischen Strauß und dem 'Bayernkurier‘-Redakteur Wilfried Scharnagl mitgeschnitten und der 'Süddeutschen Zeitung‘ zugespielt worden sein. Strauß sollte auf diese Weise unsauberer Geschäfte mit dem amerikanischen Lockheed-Konzern bezichtigt werden. Ferner erklärten die beiden Stasi-Offiziere, sie hätten vor dem Mißtrauensvotum gegen SPD-Kanzler Willy Brandt 1972 den FDP-Dissidenten und damaligen CDU-Abgeordneten Erich Mende mit Hinweis auf frühere konspirative Treffen in Ost-Berlin unter Druck gesetzt. Mende sei wahrscheinlich neben dem von der Stasi bezahlten CDU-Hinterbänkler Julius Steiner der bisher nicht namentlich bekannte zweite Christdemokrat gewesen, der mit seiner Stimme Brandt im Amt gehalten habe. Mende erklärte dem Magazin hingegen, er habe nicht für Brandt votiert. Er kündigte gestern an, er werde gegen die Stasi-Informanten Strafantrag wegen Verleumdung stellen. Es handele sich um eine „einzige große Schmiere“ und ein „Musterbeispiel bösartiger Desinformation“.

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