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OLYMP JA BITTE Von Mathias Bröckers

Entlassen sie diesen Mann!“ titelte vergangene Woche die BZ, gemeint war ein smarter Schnauzbart-Träger in den 40ern, Lutz Grüttke, der Chef der Olympia GmbH, die im Auftrag des Senats die Bewerbung Berlins vorantreiben soll. Die von ihm und „Werbepapst“ Michael Schirner intuitierte Anzeigenkampagne hat die Verantwortlichen nachhaltig erschreckt, für den IOC-Senior Daume war der aus einem Strich und zwei Pünktchen stilisierte Bär gar das Tüpfelchen auf dem i, seitdem grummelt er von wegen „ökonomisch und überhaupt so nicht machbar“, und beim Koalitions-Senat herrscht helle Aufregung. Berlin, dieses Dorf an der polnischen Grenze, ist mal wieder dabei, alles zu vermasseln. Seit gestern tagt der Exekutiv-Ausschuß des IOC in Berlin, und man darf sicher sein, daß selten ein Gast derart verwöhnt wurde wie die aus aller Welt anreisenden Olympia-Funktionäre. Ein Staatsbesuch ist geradeweg nichts dagegen. Und weil auch 100 Journalisten aus aller Welt angereist sind, befürchten die Organisatoren vor allem eines: daß ein schlechter Eindruck oder gar Randale vor den Augen der „Weltöffentlichkeit“ die letzten Chancen Berlins verspielt. Die Demo, deren Schlußkundgebung unter dem Motto „Nolympic City“ direkt neben dem Grand Hotel stattfinden sollte, wurde 500 Meter weiter weg verlegt. Angeblich wegen „erheblicher Sicherheitsbedenken“, doch es wird eher der Augenschein der umhätschelten Olympia-Bürokraten sein, dem man die Demonstration einfach entziehen will. In dem Aufruf der Nolympioniken heißt es, es sei eine Illusion zu glauben, die Spiele könnten sozial und ökologisch verträglich von der Bevölkerung mitgestaltet werden.

Aber, und wegen der Wichtigkeit der Sache möchte ich ein zweites Aber hinzufügen, aber aber wo soll denn das alles enden, wenn wir nicht einmal in der Lage sind, ein Welt-Sport- Fest auszurichten, ohne daß es hinterher aussieht wie neulich in Kuwait? Wenn eine Olympiade nicht veranstaltet werden kann, ohne daß Bevölkerung und Stadtlandschaft an diesem Boom ersticken, wie soll es dann jemals möglich sein, auf Veranstaltungen wie den Golfkrieg zu verzichten? Aufgabe des Sports ist es, den Nationalismus in Folklore zu verwandeln, den gegenseitigen Mord und Totschlag in „La Ola“ und Fair play. Nur weil die Serben und Kroaten nicht gegeneinander laufen und springen können, ziehen sie sich in diesem steinzeithaften Hütchenspielerkrieg das Fell über die Ohren. Das ist vielleicht etwas überspitzt, trifft aber den Kern der Sache: den Sport als sublime, kultivierte Form des Kriegs — und Olympia als periodische Fortsetzung des Weltkriegs mit anderen Mitteln. Insofern kann es Massenveranstaltungen wie Olympische Spiele, Fußball-Weltmeisterschaften, Woodstock usw. usw. gar nicht genug geben. Daß baumäßig bei solchen Veranstaltungen immer nur das Klingbeil waltet, daß sich die Bau- und Betonmafia gegen Planungsverstand durchsetzt und Schlachtfelder und Ruinen hinterläßt, muß ja nun nicht sein. Gerade in und um Berlin gibt es Dutzende demnächst brachliegender Kasernen, Militäreinrichtungen, Manöverplätze, die geradezu danach schreien, umfunktioniert zu werden. Statt Soldaten können dort Sportler wohnen, statt Armeelastern U-Bahnen verkehren, statt Kriegsübungen Friedensbewegungen — von Gymnastik bis Synchronschwimmen — stattfinden. Berlin 2000 — Stell Dir vor es geht und keiner kriegt's hin.

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