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Skepsis und Hoffnung in Ostjerusalem

Außenminister James Baker in Damaskus/ Erneuter Besuch Israels möglich/ Unterschiedliche Reaktionen unter den Palästinensern auf die siebte Nahost-Reise des US-Emissärs  ■ Aus Ostjerusalem Nina Corsten

Nach Stationen in Israel und Ägypten ist der US-amerikanische Außenminister James Baker auf seiner siebten Nahost-Reise gestern in der syrischen Hauptstadt Damaskus eingetroffen. Pünktlich zum Empfang schrieb die offizielle Regierungszeitung 'Tischrin‘, die Reise Bakers sei wegen der Starrköpfigkeit Israels zum Scheitern verurteilt. In Washington hieß es, Baker werde eventuell noch einmal nach Israel zurückkehren, wo unter anderem die Frage der US-Kreditgarantien für den jüdischen Staat offengeblieben war — ein Thema, das Anfang der Woche für Unmut gegenüber dem Gast aus den USA geführt hatte. Doch was einige Bewohner Westjerusalems so erzürnte, daß sie Tomaten auf Bakers Auto warfen, stimmte die Palästinenser im Ostteil der Stadt noch lange nicht freundlich.

Dabei werden die Bemühungen des unermüdlichen Nahost-Emissärs, eine Friedenskonferenz unter Dach und Fach zu bringen, unter der palästinensischen Bevölkerung durchaus unterschiedlich bewertet. „Wir sind doch nicht so dumm, den Streit um die Kreditgarantien zwischen Israel und den USA ernst zu nehmen“, kommentiert ein Zeitungshändler an der Sultan-Suleiman-Straße in Ostjerusalem die laufenden Ereignisse. „Das ist doch alles Gerede. Wenn es ernst wird, haben sich die USA noch immer gegen uns und an die Seite Israels gestellt. Der Besuch von Baker ist nicht wichtig“, sagt er, „natürlich können sich unsere Leute mit ihm treffen, aber es wird nichts nützen. Alles wird so weitergehen wie bisher. Ich setze keine Hoffnung in die Nahost-Konferenz. Amerika und Israel wollen keinen palästinensischen Staat — und die arabischen Regierungen auch nicht. Wir kennen dieses Spiel seit Jahrzehnten.“ Ich frage ihn nicht nach seinem Alter, aber an die 60 Jahre Nahost-Konflikt wird er hinter sich haben.

Die palästinensische Mitarbeiterin eines Ostjerusalemer Pressebüros, höchstens halb so alt wie er, ist da ganz anderer Meinung: „Wir haben nicht nur auf Baker gewartet, wir haben ihn erwartet“, sagt sie. Sie rechnet auch mit wichtigen Ergebnissen, etwa in der Frage der palästinensischen Vertretung bei der Konferenz. Sie geht davon aus, daß es eine gemeinsame palästinensisch- jordanische Delegation geben wird: „Das ist kein Problem. Aber ob Ostjerusalem vertreten sein wird, ist schwer zu sagen. Ich sage: Es muß vertreten sein.“

Die Vertretung Ostjerusalems in der palästinensischen Delegation ist für die Palästinenser, die in dieser Stadt leben, eine Art rote Linie. Jeder betont im Gespräch, daß Ostjerusalem besetztes Gebiet ist, Teil der Westbank; das heißt nicht, daß die Ostjerusalemer Palästinenser wieder zu den alten Verhältnissen von vor 1967 zurückkehren wollen, als Jerusalem noch zwischen Jordanien und Israel geteilt war. „Die Stadt sollte unter internationale Aufsicht gestellt und nicht erneut geteilt werden“, argumentierte der Besitzer eines palästinensischen Restaurants an besagter Sultan-Suleiman-Straße, die genau auf die sogenannte „Grüne Linie“, die alte jordanisch-israelische Demarkationslinie vor 1967 führt.

„Unter israelischer Herrschaft wollen wir nicht bleiben. Vielleicht kann Baker dazu beitragen.“ Zwei Freunde von ihm betreten das Restaurant. „Wenn sie mich fragen, ob ich für die Gespräche mit Baker und für die Nahost-Konferenz bin, dann sage ich: ja. Denn wir wollen den Frieden. Aber wir lassen uns nicht vorschreiben, wer für uns spricht.“ Und: „Ostjerusalem muß vertreten sein. Ich komme aus Ramallah. Seit dem Golfkrieg lassen uns die Israelis nicht einmal mehr ohne Sondergenehmigung in die Stadt. Ich bin ohne Genehmigung hier. Wenn jetzt eine israelische Kontrolle kommt, werde ich festgenommen.“

Draußen auf der Straße naht prompt eine Gruppe der gefürchteten israelischen Grenzpolizei, die hier von manchen als „Desch al Maschaikel“, also „Problemtruppe“, bezeichnet wird. Der Inhaber des Restaurants setzt sein gleichgültigstes Gesicht auf und läßt die schweren Metalljalousien halb runter. Die Soldaten gehen vorbei. „Meinen Bruder haben sie neulich erwischt“, nimmt der Mann aus Ramallah das Gespräch wieder auf. „Sie haben ihn für 24 Stunden ins Gefängnis gesteckt, und dann mußte er eine Strafe von 350 Schekeln bezahlen“ — etwa den Wochenlohn eines palästinensischen Arbeiters. Hat sein Begleiter Hoffnung, daß eine Nahost-Konferenz die Lage verbessern wird? „Ja, aber nur, wenn die PLO an den Verhandlungen beteiligt wird.“ Daß darüber bereits negativ entschieden wurde und die PLO in Tunis dem zugestimmt hat, mag er nicht glauben. „Wenn das stimmt, wird unser Problem nicht gelöst. Wir brauchen unseren eigenen Staat. Sonst gibt es wieder Krieg im Nahen Osten.“

Eine Umfrage über die Positionen der Palästinenser zur geplanten Nahost-Konferenz ergab ein ähnlich widersprüchliches Bild und hielt außerdem ein paar Überraschungen für alle bereit, die den Gazastreifen für ein Bollwerk der militanten Unnachgiebigkeit halten. Die von der palästinensischen Wochenzeitschrift 'Al-Bayader a-Siyassi‘ durchgeführte Studie ergab, daß einerseits nur drei bis fünf Prozent der insgesamt 1.734 Befragten davon ausgehen, daß die USA „ernstlich um einen Nahost-Frieden bemüht sind“. Andererseits sprachen sich — je nach Region — 23 bis 47 Prozent für die Gespräche von Aschrawi, Husseini und Aggha mit US-Außenminister Baker aus; und 34 bis 60 Prozent für eine Zustimmung der PLO zu einer palästinensischen Teilnahme an der geplanten Konferenz. Die Überraschung: Unter den Befürwortern von Gesprächen mit Baker und einer Teilnahme an der Konferenz rangieren die Bewohner des Gazastreifens mit 41 beziehungsweise 55 Prozent ganz weit oben, die Jerusalems hingegen ganz weit unten.

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