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KOSLOWSKIS GITTA PLAUDERT VOM SOFA

Im Moment isses ja bei Schallers Horst und mir 'n bißchen gespannt — ich meine, nicht daß wir sonst von der Fraktion „Hauptsache wir haben uns lieb“ gewesen wären, aber irgendwie sind wir doch hart an der Grenze, was die Asylantenfrage angeht — nicht wirklich über die Asylanten, das könnte man ja noch diskutieren — aber wer der wirkliche Ausländerfeind hier ist — die im Osten oder im Westen? Schaller war ja immer stickum, wenn wieder irgend so ein Vorfall im ewigen Tal der Ahnungslosen war, gerade neulich wieder der Monitor-Bericht über die netten blonden Jugendlichen, die in vier Wochen noch mal das Ausländerheim mit den Schmuddelzigeunern überfallen wollen — also, ich kann da ja nicht an mich halten und hab' gesagt, man müßte die Sachsen insgesamt ins Baltikum evakuieren, da sind sie ja sowieso bald alle nur noch unter sich und können unter dem feschen Ordensritter „Hagen von der Wenge Graf Lambsdorff“, den man geschmackvollerweise dort gleich als deutschen Botschafter eingesetzt hat, weil das schließlich mal alles seins war, als sein Opa Außenminister bei Zarens war, wieder in wolgadeutsch parlieren. Aber Schaller schreit wie üblich (man muß wirklich denken, die wären da alle taub gewesen, im Osten, vielleicht weil sie immer flüstern mußten damals) — ich sollte mir ja nicht einbilden, daß die FNL den Rassismus gepachtet hätten — das wäre so verlogen wie die Entnazifizierung bei denen, und jetzt sei er ja nur froh über Herrn Rühe, daß der mal geradeheraus zeigt, was sich alle hier jahrelang verkniffen haben. Ich muß mal sagen, daß mir dann die Idee kam, daß das ja eigentlich logisch ist: Wenn denen niemand etwas von der besonderen Verantwortung der Deutschen erzählt hat, dann können sie ja jetzt ganz frank und frei gegen Ausländer sein, wie jeder Franzose, Engländer oder Russe auch... Ansonsten finde ich, können wir Deutschen doch froh sein, daß doch ein gewisser Fortschritt bei der Frage von Solidarität eingetreten ist — hat man also damals nicht umsonst immer bei Demonstrationen vor sich hingeplärrt. Wie sich zum Beispiel jetzt alle um Gerd Müller kümmern, das ist doch fantastisch! Erst Harald, jetzt Gerd. Und daß Uli Hoeness sofort gewußt hat, wie man dem Mann hilft, irre. Da ruft der gleich beim Sponsor Opel an und bestellt für Gerd für zwei Monate ein Auto — Männer wissen eben, was Männer brauchen. Und was die Ausländer angeht, die müssen eben sehn, wie sie klarkommen, das haben die Leipziger Kids, die schon mal diese Heldentat des Brandanschlags vollbracht haben, auch gesagt: „Die sollen wissen, daß es hier gefährlich ist, wenn sie herkommen“ — Yippiiiee! Aber jetzt kommt Schaller an, und das rührt mich wirklich, und zeigt mir einen Satz über das Böse bei Simone: „...hat es den Anschein, als ob das Böse, das in einem Menschen ist, ihn abschirme gegen das Böse, daß ihn in Gestalt des Schmerzes von außen anfällt. Es ist wohl so, und dies ist die große Versuchung, die in dem Unglück liegt, daß der Unglückliche stets die Möglichkeit hat, weniger zu leiden, wenn er einwilligt, böse zu werden.“

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