: Baker muß Nahost-Porzellan kitten
Palästinensische Teilnahme an der geplanten Nahost-Konferenz ist nach Washingtons Zehn-Punkte-Plan über die Zukunft der besetzten Gebiete fraglich/ Auch Syrien verlangt Garantien ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
US-Außenminister Baker ist gestern im Bemühen, seine Gesprächspartner in den diversen Hauptstädten des Nahen Ostens auf eine einheitliche Linie zu bringen, überraschend im jordanischen Amman mit der Palästinenservertreterin Hanan Aschrawi zusammengetroffen. Aschrawi wollte sich um die Klärung strittiger Fragen in dem amerikanischen Zehn-Punkte-Plan bemühen, den Baker vor wenigen Tagen der Palästinenserdelegation, der Hanan Aschrawi angehört, überreicht hatte. Die Delegation hatte den Brief am Donnerstag nach Konsultationen mit den PLO-Büros in London und Tunis als „unzureichend“ abgelehnt. Daraufhin hatte Baker am Donnerstag abend gesagt, notfalls könnte die geplante Nahostkonferenz auch ohne die Palästinenser stattfinden.
Gegenwärtig sind verschiedene Versionen des Zehn-Punkte-Plans im Umlauf, und es scheint Diskrepanzen zu geben zwischen den Zusicherungen, die den Palästinensern mündlich gegeben worden sind, und den schriftlichen Formulierungen des Dokuments.
Dem US-Plan zufolge sollen die Palästinenser fünf Jahre lang unter einer selbstverwalteten „Autonomie“ leben. Nach drei Jahren sollen Verhandlungen über eine dauerhafte Lösung einsetzen (s. taz vom 20.9.). Einer Version des Planes zufolge will Washington das palästinensische Selbstbestimmungsrecht im Rahmen einer zukünftigen Konföderation mit Jordanien anerkennen. Alle strittigen Fragen sollen nach dieser Version erst im letzten Stadium des Verhandlungsprozesses, also nach drei Jahren „Autonomie“ verhandelt werden. Dazu zählt zum ersten die palästinensische Forderung, nach der Wasser, Land und andere Ressourcen durch palästinensische Selbstverwaltungsbehörden kontrolliert werden sollen. Ferner gehört dazu die Zukunft Ostjerusalems, obwohl Washington dieser Version zufolge die Tatsache anerkennt, daß Ostjerusalem besetztes Gebiet ist und demzufolge von der UN-Resolution 242 betroffen ist. Die US-Regierung erkenne an, heißt es, daß die Besiedlung der Westbank durch Israel ein Hindernis für den Frieden darstellt. Sie akzeptiere hingegen nicht die palästinensische Formulierung, nach der die israelischen Siedlungen illegal sind.
Nach Ansicht von Palästinensern hat die US-Seite sich damit der israelischen Forderung angeschlossen, die Ostjerusalem-Frage bei der in diesem Jahr geplanten Auftaktrunde der Nahost-Konferenz nicht zu behandeln. Ferner seien die von der israelischen Regierung gestellten Bedingungen über die Zusammensetzung der palästinensischen Vertretung bei der Regionalkonferenz vollständig von den USA akzeptiert worden. Das bedeutet, die Delegierten müssen für Israel akzeptabel und Bewohner der besetzten Gebiete — unter Ausschluß von Ostjerusalem — sein, aber nicht der PLO angehören.
So stehen die Palästinenser vor einer Situation, in der sie nur die Option haben, an der Friedenskonferenz im Rahmen einer jordanischen Delegation teilzunehmen. Das beste, was sie von dieser Konferenz erhoffen könnten, sind sechs bis sieben Jahre lokale Selbstverwaltung im Rahmen des fortbestehenden Status quo israelischer Besatzungsherrschaft, ohne Garantie für eine zukünftige unabhängige Staatlichkeit.
Die erneuten US-palästinensischen Gespräche in Amman hatten zum Ziel, eine Veränderung dieser Lage zu erreichen, da sonst der ab Montag in Algier tagende Palästinensische Nationalrat eine palästinensische Beteiligung an der Nahost- Konferenz wahrscheinlich ablehnen würde.
Damaskus (afp/taz) — Syriens Präsident Assad hat gestern vor Bakers erneutem Eintreffen in Damaskus gesagt, sein Land würde seine Teilnahme an der Nahost-Konferenz überdenken, falls die USA Israel Kreditgarantien für den Wohnungsbau gewähren würde. In diesem Fall hätte eine Teilnahme „wenig Sinn“. Mit seinen Äußerungen will er offenbar von Baker eine eindeutigere Unterstützung erreichen. Assad meinte, Baker habe am Donnerstag nicht versprochen, auf Israel Druck auszuüben, um es zu einer Rückgabe der Golan-Höhen zu bewegen.
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