: Vor der „Entscheidungsschlacht“?
Bundesarmee untersagt Donauschiffahrt und rückt mit Panzern auf die seit Wochen umkämpften Städte Vukovar, Vinkovici und Osijek vor/ Generalmobilmachung in Ostslawonien ■ Von Roland Hofwiler
Belgrad (taz) — Der Krieg in Kroatien eskaliert weiter. Panzerverbände der Bundesarmee wurden gestern nach Kroatien verlegt. Gestern nachmittag waren sie in heftige Kämpfe mit der kroatischen Nationalgarde verwickelt. Die Donauschiffahrt ist unterbunden. Die jugoslawische Bundesarmee errichtete gestern zwischen dem linken serbischen und dem rechten, im kroatischen Ostslawonien gelegenen Ufer an mehreren Stellen Panzerbrücken, um mit Kriegsgerät gegen Osijek, Vukovar und Vinkovici die „Entscheidungsschlacht“ zu führen. Alle drei Städte leben nun schon seit Wochen im Belagerungszustand, die Bevölkerung hat die Wohnungen für die Kämpfer auf beiden Seiten geräumt und sucht das Weite. Der Krieg wird zum Stellungskrieg wie im 2. Weltkrieg. Radio Belgrad erklärt die militärische Eskalation so: Deutsche Militärexperten seien in Osijek bereits eingetroffen; bevor die „deutschen Friedenstruppen“ kämen, müsse man die Kroaten, die stillen Verbündeten der Deutschen auf dem Balkan, zurückschlagen.
Und so zogen am Donnerstag abend Tausende serbischer Rekruten in einer 20 Kilometer langen Panzerkolonne von Belgrad aus in den Krieg. Das staatliche serbische Fernsehen zeigte die Bewohner der jugoslawischen Hauptstadt, wie sie den Jungs zuwinkten und riefen: „Zwingt die kroatischen Faschisten in die Knie.“ Was der Propagandasender gestern nicht zeigte, sind Bilder vom Kampfschauplatz selbst. Glaubt man der Gegenpropaganda von Radio Zagreb, so begann der Angriff auf die drei Städte gegen 6 Uhr in der Früh und hielt den ganzen Tag an. Wie hoch die Zahl der Opfer ist, ist noch ungewiß. Ebensowenig ist auch bekannt, wie weit die Truppen, die nicht direkt ins Krisengebiet geschickt wurden, noch von der Landeshauptstadt Zagreb entfernt sind. Die Kroaten behaupten, man habe die Panzer bei Sid aufhalten können und sei bereit, sie anzugreifen. Das kroatische Fernsehen verbreitete einen Aufruf zur Generalmobilmachung in Ostslawonien.
Unterdessen herrschte Fliegeralarm in mehreren dalmatinischen Küstenstädten, so in Sibenik und Split. Selbst in Zagreb mußten die Menschen dreimal in die Schutzräume fliehen. Berichte darüber füllen die Sondersendungen der Medien, in denen der Abbruch der Friedensgespräche in Den Haag kaum ein Thema ist. Fordern kroatische Medien die sofortige Entsendung internationaler Friedenstruppen, so findet man in Serbien unzählige Beispiele dafür, daß kroatische Kämpfer einen „Genozid“ am serbischen Volk vorzubereiten versuchen und deshalb den Waffenstillstand brechen. Im bosnischen Sarajevo wiederum war gestern ein Attentatsversuch auf den Präsidenten Izetbegovic Tagesgespräch. Waren es kroatische oder serbische Schützen, die den Muslimanen umlegen wollten? Noch weiß man es nicht.
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