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Alles rosa-rot bei Rot-Grün im Landkreis Verden

■ SPD-Landrat über eine vierjährige Koalition mit den Grünen / Streit um Truppenabzug und Vertriebenen-Verband

hier bitte das

Wahllogo

Eine Woche nach der Bremer Bürgerschaftswahl werden in Niedersachsen am 6. Oktober die Kreistage und Gemeindeparlamente neu gewählt. Landesweit wird mit einem massenhaften Kippen der CDU-Wahlkreise gerechnet. In Bremens Nachbarkreis Verden hat die SPD schon vor fünf Jahren die uneingeschränkte Nachkriegsherrschaft der CDU gebrochen — gemeinsam mit den Grünen. Landrat wurde der Achimer Sozialdemokrat Christoph Rippich.

taz: Herr Rippich, wie ist Ihre Bilanz nach fünf Jahren Koalition mit den Grünen?

Christoph Rippich: Die Bilanz ist in zweierlei Hinsicht für mich gut: Wir haben eine ganze Menge auf den Weg gebracht. Und der menschliche Zusammenhalt in dieser Gruppe war ausgezeichnet.

Es hat im Bundesgebiet schon mehrere rot-grüne Koalitionen gegeben, die eine Legislaturperiode nicht überstanden haben. Gab's diese Gefahr hier auch mal?

„Menschliche Abstimmung“

Zu keiner Zeit. Wenn Menschen nicht harmonieren, dann können die Programme noch so gut sein. Aber hier war es so, daß auch menschliche Abstimmung da war.

Als die Koalitionsentscheidung vor fünf Jahren fiel, waren sich da in der SPD-Fraktion alle einig?

Es gab auch Gegner, die das sehr deutlich gemacht haben, nach der Entscheidung dann aber mitgezogen haben.

Was sind für Sie die drei wichtigsten Projekte, die Sie gemeinsam mit den Grünen auf den Weg gebracht haben?

Energiepolitik, Umwelt allgemein und auch Naturschutz, Landschaftspflege.

Mußten Sie irgendwo auch mal Federn lassen, ein Stück sozialdemokratische Programmatik zurückstellen, um mit den Grünen gemeinsam Politik machen zu können?

Nein. Es gab allerdings einige Dinge, wo wir gesagt haben: das ist eigentlich nicht ganz das, was wir wollen, aber im Rahmen einer Gruppe ist das eben auch mal nötig, daß man aufeinander zugeht. Umgekehrt war es auch so.

Wer hat in diesen fünf Jahren die Akzente gesetzt? Die SPD oder kamen die Anstöße eher von den Grünen?

Ich denke von beiden Seiten. Zuletzt beim Beschluß wußte man gar nicht mehr so genau, von wem so etwas ausging. Die interfraktionelle Arbeitsgruppe hat sich da sehr bewährt, im Vorfeld alles abgestimmt und Reibungsverluste vermieden.

Hätte die Politik im Landkreis Verden anders ausgesehen, wenn die SPD die absolute Mehrheit gehabt hätte?

In kleinen Teilbereichen ja, aber im wesentlichen nein. Denn die Grünen haben in diesem Land doch wichtige Anstöße im gesellschaftlichen und umweltpolitischen Bereich gegeben. Auch die großen Parteien sind in diese Richtung gegangen.

Hat die Zusammenarbeit auch deshalb so gut funtioniert, weil Sie in der konservativ geprägten Kreisverwaltung einen starken gemeinsamen Gegner hatten?

Nein, es waren die Sachthemen, unser gemeinsames Programm, nicht die Gegnerschaft zu einer dritten Seite.

Haben Sie sich in diesen fünf Jahren schon mal richtig über die Grünen geärgert?

Richtig geärgert? Nee!

Dann sage ich mal ein Stichwort: Truppenabbau.

Da haben die ihre Position, da ärgere ich mich doch nicht.

Sie sollen sich aber ziemlich darüber geärgert haben, daß die Grünen im Kreisausschuß den Abzug der Bundeswehr aus Achim gefordert haben.

Truppenabbau: „Da bin ich wirklich hochgegangen“

Ach ja, natürlich! Ich hab mich für den Erhalt des Standortes Achim eingesetzt und kriege dann auf Kreisebene sozusagen einen Tritt in den Hintern. Da bin ich wirklich hochgegangen.

Es gibt Punkte in der Koalitionsvereinbarung, da haben die Grünen mehr von der SPD erwartet, zum Beispiel bei der Schaffung eines Recyclinghofs im Landkreis. Da ist in den fünf Jahren nicht so richtig was in Gang gekommen, sagt Ihr grüner Partner, der stellvertetende Landrat Harald Hesse.

Ja, da hat er recht. Nicht, daß jemand bei uns dagegen ist. Bei uns ist da nicht so der Schwung dahinter, wie bei den Grünen, in Teilbereichen eher noch etwas Skepsis.

Geärgert haben sich die Grünen auch darüber, daß Sie nicht bereit waren, die Patenschaft zum „Exilkreistag“ von Preußisch Eylau, einem Verband mit direktem Draht zu den Vertriebenenverbänden und deutlich revanchistischem Zungenschlag, aufzulösen.

Da bin ich mal völlig anderer Meinung als Harald Hesse. Bei allem, was Revanchismus ist, da gibt es sicher keine Unterschiede. Aber das sind Menschen, die haben ihre Heimat verloren. Jetzt haben wir sie sogar einbinden können in eine Partnerschaft mit ihrem früheren Heimatkreis in Polen.

Gibt es jetzt, kurz vor der Wahl, Profilierungsprobleme zwischen SPD und Grünen über die politischen Initiativen der letzten fünf Jahre?

Das gehört dazu. Das darf nur keine Wunden schlagen und Narben hinterlassen. Das wäre schade nach fünf Jahren.

In Bremen wird am 29.September gewählt. Falls die SPD die absolute Mehrheit verliert, muß sie sich zwischen Rot-Grün und einer sozial-liberalen Koalition entscheiden. Können Sie da Ihrem Bremer Genossen Klaus Wedemeier einen Rat geben?

Auf keinen Fall! Ich halte nichts von Ratschlägen von außen. Aber wenn ich von Klaus Wedemeier gefragt würde, würde ich sagen: Im Landkreis Verden haben wir gute Erfahrungen, sehr gute Erfahrungen, gemacht.

Fragen:

Annemarie Struß-v.Poellnitz

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