: Kind — Objekt der Dresche
■ Elterliches Züchtigungsrecht abschaffen/ Einer »gelegentliche Tracht Prügel« gilt nach Richtersspruch nicht als »entwürdigende Maßnahme«
Berlin. Die Rechte der Kinder werden nicht als eigene Rechte definiert, sondern als Pflichten der Eltern. Die Folge: Vor dem Gesetz werden Kinder lediglich als Objekte angesehen, sie sind keine eigenständig handelnden Subjekte. Dies stellten übereinstimmend die Teilnehmer eines Workshops fest, der sich am vergangenen Wochenende auf der »Berliner Tagung zum Weltkindertag« mit der rechtlichen Situation von Kindern befaßte. Veranstaltet wurde die Tagung von der »Kinderrechtlichen Aktion« (KRA).
Gerhard Krusat war vormals Sprecher des Kinderarbeitskreises Baden-Württemberg der Grünen — jetzt ist er bei der Initiative für Frieden und Menschenrechte (IFM) engagiert. Seiner Ansicht nach geht es zuerst um eine Abschaffung des elterlichen Züchtigungsrechtes in der Bundesrepublik. Bis jetzt gilt nach Paragraph 1631 des Bürgerlichen Gesetzbuches: »Entwürdigende Erziehungsmaßnahmen sind unzulässig.« Eine »gelegentliche Tracht Prügel« gelte jedoch nach richterlichem Urteil nicht als »entwürdigende Maßnahme«, so Krusat. Sehr wichtig sei auch, daß Kinder über ihre Rechte informiert würden. Krusat betonte, daß das Züchtigungsrecht nur als ein erster Schritt in der kinderrechtlichen Diskussion angesehen werden dürfe. Ein weiterer Punkt sei die Änderung des Aufenthaltsrechtes für Kinder. Zwar sei die Infrastruktur in West-Berlin für drangsalierte Kinder, die von zu Hause abhauen, ganz gut, doch bewegten sich die Häuser, die sie aufnehmen in einer »rechtlichen Grauzone«: Schließlich könne man sich wegen »Kindesentziehung« strafbar machen.
Claudia Prónay ist Kinder- und Jugendanwältin in Wien, eine Art vom Gesetz vorgesehene Schlichterin bei Konflikten von Jugendlichen mit ihren Eltern. Ihrer Meinung nach wird der Würdebegriff bei Erwachsenen und Kindern verschieden angelegt. Was bei Erwachsenen unter Körperverletzung laufe, gelte bei Kindern als Erziehungsmaßnahme. Wenn sich einmal die Idee der Gleichwertigkeit von Kind und Erwachsenem durchgesetzt habe, sei ein großer Schritt getan. aha
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen