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Für eine schrittweise Annäherung

■ Bündnis 90 beharrt auf Eigenständigkeit gegenüber den Grünen/ Offen auch für Zusammenarbeit mit SPD/ Tribunal zur Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit geplant

Berlin (dpa/taz) — Als Beitrag zur Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit und zur „Ächtung der Regierungskriminalität“ hat das am Wochenende konstituierte Bündnis 90 ein „Leipziger Tribunal“ vorgeschlagen. Die Mittel der Justiz reichten hierzu nicht aus, betonte gestern der am Wochenende neu gewählte Vorstand der Bürgerbewegung. Ihm gehören die Bundestagsabgeordneten Wolfgang Ullmann und Werner Schulz sowie der brandenburgische Umweltminister Matthias Platzeck an. Weiter wurden Petra Morave, Wolfgang Templin, Christiane Ziller, Heiko Lietz, Erhard Müller und Claudia Horn in das Sprechergremium gewählt.

Wolfgang Ullmann unterstrich, daß das Bündnis 90 den Charakter einer politischen Vereinigung und nicht einer Partei haben wird. „Wir wollen einen neuen Begriff in die politische Philosophie einbringen, nämlich daß Bürgerinitiativen eine neue Dimension erreicht haben. Daraus haben wir die institutionellen Konsequenzen gezogen.“

Zum Thema einer Vereinigung mit den Grünen forderte Erhard Müller, die Grünen müßten sich für diesen Fall von ihrer trennenden Streitkultur, dem Denken in Rechts-links- Kategorien sowie der Organisationsform einer Partei verabschieden. „Wir wollen Abschied nehmen davon, daß wir nur mit den Grünen sprechen“, erklärte auch Heiko Lietz. Werner Schulz ergänzte, die Grünen seien bislang ein reines West-Projekt gewesen, in der neue Bündnispartner bislang gar nicht vorgesehen waren. „Wir kommen aus einer anderen Gesellschaft, wir haben eine andere Biographie“, erklärte Schulz. Die von den Grünen in Auftrag gegebene juristische Studie zu den Modalitäten einer späteren Vereinigung der beiden Organisationen bewertete Schulz als „nicht der Weisheit letzter Schluß“.

Matthias Platzeck plädierte zudem für eine verstärkte Zusammenarbeit auch mit der SPD. In Brandenburg gebe es gute Erfahrungen mit einer derartigen Koalition, sagte Platzeck. In anderen Bundesländern sei dies jedoch zur Zeit kein Thema, weil das Bündnis zunächst seine Vorstellungen inhaltlich ausformen wolle. Erst danach könne man entscheiden, mit wem man zusammenarbeiten will.

Das angekündigte Tribunal zur Regierungskriminalität solle der „gegenwärtigen Verengung“ begegnen, sagte Wolfgang Templin. Die Justiz sei überfordert und am Ende werde nur die Unfähigkeit zur Aufarbeitung der Vergangenheit konstatiert. Templin teilte zugleich mit, daß sich alle neun Ausschußmitglieder freiwillig auf eine mögliche Stasi- Vergangenheit hin überprüfen lassen werden. Er hoffe, daß dies als ein politisches Signal verstanden werde.

Kommentar Seite 12

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