: Chemie-Industrie zeigt „Profil“
■ Mit neuem PR-Blatt kämpfen Agrarfirmen gegen ihr schlechtes Image
Die Journalistenzunft liefert der Düngemittel-Industrie Grund zur Klage: Auch wenn die Horrormeldungen über Nitrat im Grundwasser, über Schwefel, Phosphor und Kali den Absatz nicht verringert haben — das Vertrauen der Verbraucher in die Chemie ist erschüttert. Verstärkt gehen jetzt Firmen in die Public-Relations-Offensive: Wie ein Nachrichtenmagazin aufgemacht sind die Zeitschriften, die der ramponierten Reputation wieder auf die Sprünge helfen sollen und kostenlos verteilt werden. Der Industrieverband Agrar e.V. zeigt seit kurzem mit einer gleichnamigen Zeitschrift 'Profil‘. Bis vor wenigen Wochen war sie noch eine reine Mitarbeiterpublikation der Firmen, die Düngemittel- und Pflanzenschutz herstellen. Mehr noch als andere Hauszeitschriften sollte sie „ein gewisses Bedürfnis unserer Angestellten nach Argumentationshilfe“ befriedigen, damit diese „auch gegenüber Bekannten am Stammtisch begründen können, warum sie bei einer Chemiefirma arbeiten“, so die Redakteurin Rosemarie Gutsch. Sie ist die einzige hauptamtliche Mitarbeiterin des Blattes. Jetzt soll 'Profil‘ einem breiteren Publikum zugänglich gemacht werden. Nachdem der Vertrieb als Zeitungsbeilage sich als wenig erfolgreich erwiesen hat, wurden neue Wege beschritten: 'Profil‘ wird jetzt in Bahnhofswartehallen und Zugabteilen verteilt. Auch in Arztpraxen gibt's die Postille. Zur Zeit liegt die Auflage bei 35.000. 'Profil‘ will „Antwort geben auf Fragen, die in letzter Zeit ins Bewußtsein geraten sind“ und dabei auch „pluralistisch verfahren“, sagt die Redakteurin. In der Praxis sieht das so aus: Im Editorial stellt der Verbands—Chef Oskar Böttcher eine gewagte Behauptung auf: Durch das Verbot von Pflanzenschutz- und Düngemitteln seitens des Landwirtschaftsministers Ignaz Kiechle „wird umweltschonender Pflanzenschutz erschwert“. Beklagt wird auch die Existenz des Umweltbundesamtes, denn: „Das Zulassungsverfahren wird für die Hersteller immer komplizierter.“ Auch mit den Gläubigen ist es ein wahres Kreuz. Ein Doktor Helmut Oehler, angestellt bei Hoechst, erhält Gelegenheit, kundzutun: „Ich bin bitter enttäuscht.“ Denn kirchliche Frauengruppen hatten anläßlich des Weltgebetstages über Bäuerinnen in Kenia informiert, die nach den Informationen einer Menschenrechtsorganisation unter den Folgen des Gebrauchs von Pestiziden auf ihren Feldern krank geworden sind. Die Kirchen-Frauen hatten vorher nicht bei Hoechst angerufen. Auch in der Titelgeschichte möchte 'Profil‘ beweisen, daß Düngemittel umweltfreundlich sind. So lernen wir eine Dame kennen, die auf einem Bauernhof Bodenproben entnahm, um festzustellen: Bei normaler Düngung erhöht sich der Nitratgehalt des Bodens nicht. Fazit des Textes: „Sollten also zu hohe Werte einmal vorkommen, liegt das bestimmt an anderen Faktoren.“ Diese redaktionelle Linie verwundert nicht. Besteht doch das „Redaktionskomitee“, das die Themen festlegt, in der Hauptsache aus Diplom-Landwirten und -Gärtnern. Die meisten sind bei dem Herausgeber, dem Industrieverband Agrar (IVA), in dem 60 Herstellerfirmen zusamengeschlossen sind, angestellt. Unter der Rubrik „Stressbewältigung“ empfiehlt die Redaktion: „Machen Sie ihrem Ärger nicht sofort Luft. Versuchen Sie auch innerlich zu verzeihen.“ Lisa Steger
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