: Öko-Betonköpfe
■ Die NRW-SPD katapultiert sich mit ihrer Energiepolitik in die umweltpolitische Steinzeit
Öko-Betonköpfe Die NRW-SPD katapultiert sich mit ihrer Energiepolitik in die umweltpolitische Steinzeit
Mit ihrer Leitentscheidung für den Braunkohletagebau Garzweiler II macht sich die nordrhein-westfälische Landesregierung einsam und allein wieder zurück auf den Weg in die Energie- und umweltpolitische Steinzeit. Verlassen von den eigenen GenossInnen in Bonn, überholt selbst vom CDU-Umweltminister Töpfer gegen den verzweifelten Widerstand einer ganzen Region, gegen alle Oppositionsparteien im Landtag, verflucht von NaturschützerInnen und verständnislos beäugt von namhaften Energie- und Klimaexperten, haben sich die SozialdemokratInnen in Düsseldorf entschieden, bis zur Mitte des nächsten Jahrhunderts auf Braunkohle zu setzen.
Bereits bis 2005 — das würde Garzweiler II überflüssig machen — soll die Braunkohleförderung bei gleichzeitigem AKW-Ausstieg halbiert werden. Das will die SPD in Bonn zum Klimaschutz. In Düsseldorf erklären die Parteifreunde: Wer die Kernkraft nicht wolle, brauche die Braunkohle. Die von Bundesumweltminister Töpfer geplante Kohlendioxidabgabe stelle die Wirtschaftlichkeit der Braunkohleverstromung in Frage, wettert RWE-Chef Gieske in Essen und läßt düster anklingen, daß Braunkohleförderung demnächst mega-out, weil zu teuer sei. In Düsseldorf verkündet Umweltminister Matthiesen unverdrossen, Braunkohle sei „ein sicherer, kostengünstiger und verfügbarer“ Energieträger. In Wuppertal läßt die Landesregierung im jüngst gegründeten Institut „Klima-Umwelt-Energie“ die realen Kosten unserer Energieverschwendung ausrechnen. In Düsseldorf hingegen treibt dieselbe Landesregierung mit Garzweiler II eben diese Kosten weiter in die Höhe. Der unausweichliche Konflikt mit ihrer Klientel aus der IG Bergbau dürfte die Bonner SPD je später um so teurer zu stehen kommen. In Düsseldorf haben Arbeitsplätze noch einmal als Totschlagargument funktioniert.
Das Kabinett Rau hatte die Leitentscheidung für Garzweiler II nicht vom Energiebedarf, sondern ausdrücklich davon abhängig gemacht, ob der als letztes großes Feuchtgebiet unschätzbar wertvolle Maas-Schwalm-Nette-Naturpark die enormen Grundwasserabsenkungen überleben würde. Doch schnell ließ sich der Umweltminister zufriedenstellen: Wie aus einem Riesengartenschlauch soll der Naturpark künstlich mit Wasser versorgt werden, vielleicht 500 Jahre lang. Diese Verhöhnung der Natur ist wohl das deprimierendste an der Düsseldorfer Entscheidung — und der hoffentlich letzte Triumph des Machbarkeitswahns älterer Männer, die die Wirklichkeitswerdung ihres Wahns nicht mehr erleben werden.
Das Genehmigungsverfahren für Garzweiler II dürfte drei bis vier Jahre dauern. Käme die SPD bei der nächsten Bundestagswahl an die Macht, wäre es gerade noch früh genug, die energiepolitische und ökologische Steinzeit auch in Düsseldorf zu beenden. Bettina Markmeyer
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