: Mehr Macht fürs Parlament
■ Niederländische Ratspräsidentschaft stellt Weichen für Gipfel in Maastricht
Berlin (taz/afp) — Die Vorbereitungen für die Politische Union der EG sind in Bewegung geraten: In einem am Dienstag abend veröffentlichten Schreiben an die Regierungen aller Mitgliedsländer schlagen die Niederlande vor, der Gemeinschaft die Außen- und Sicherheitspolitik sowie weitere innenpolitische Kompetenzen zu übertragen — darunter auch die Asyl- und Einwanderungspolitik.
Die EG-Kommission und das Europaparlament sollen etwas mehr Macht erhalten. Unter anderem sollen die Straßburger Parlamentarier ein Vetorecht bekommen, mit dem sie Entscheidungen des Ministerrates blockieren können.
In Konfliktfällen zwischen dem gegenwärtig allein entscheidenden EG-Ministerrat und dem Europaparlament soll ein Vermittlungsverfahren stattfinden. Das seit langem vom Europaparlament geforderte Initiativrecht zum Einbringen von Richtlinienentwürfen, den europäischen Gesetzen, ist in dem Entwurf hingegen nicht vorgesehen.
Das Papier, das als Grundlage für einen neuen EG-Vertrag dienen soll, war mit Spannung erwartet worden. Zum einen steht im Dezember der EG-Gipfel in Maastricht an, bei dem über die Konturen der Politischen Union entschieden werden soll. Zum anderen hatte die niederländische Regierung, die zur Zeit die EG-Ratspräsidentschaft innehat, im vergangenen Monat einen Vorschlag für die politische Zukunft der Zwölf vorgelegt, der in der Gemeinschaft auf Kritig gestoßen war, weil er vielen nicht weit genug ging.
Inzwischen hat sich der Ton in Den Haag — auch unter dem Eindruck der zähen Verhandlungsversuche der EG in der Jugoslawienkrise — geändert. Das neue Dokument ist ein Kompromiß zwischen besonders integrationswilligen Europäern wie den Deutschen und Bremsern wie Großbritannien. Das drückt auch sein vorsichtiger Titel aus: „Entwurf eines Vertrags in Richtung auf eine europäische Union“. Neben internen Veränderungen hält das Dokument auch die Möglichkeit einer Erweiterung der Gemeinschaft offen. 1996 kann eine erste Revision des neuen EG-Vertrages stattfinden.
Doch so weit ist es noch lange nicht. Als erste zeigte die britische Regierung ihre Mißbilligung. Nur in einem Punkt sind ihr die Niederländer entgegengekommen: In der europäischen Sicherheitspolitik soll neben der Westeuropäischen Union (WEU) die Nato weiterhin die zentrale Rolle spielen. In „Ergänzung“ zu Nato und WEU soll der EG-Ministerrat die Richtlinien für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik festlegen. Im Ministerrat sollen künftig auch die Entscheidungen über gemeinsame außenpolitische Schritte gefällt werden. Die bisherigen gesonderten Außenministertreffen zur Debatte über aktuelle außenpolitischen Probleme würden damit flachfallen.
Für die Bremserfraktion der britischen Konservativen erklärte der Tory Cash in einem BBC-Interview, der Entwurf sei „grundsätzlich undemokratisch“ und würde das Westminster Parlament „zerstören“. Regierungschef Major machte zwar keinen Hehl aus seiner Enttäuschung über den niederländischen Entwurf, erklärte jedoch, er würde sich nicht grundsätzlich gegen einen Machtzuwachs für Straßburg stellen.
In Frankreich dürfte die Aufwertung von Europaparlament und Kommission für Unruhe sorgen. Bislang stand Paris diesen Institutionen stets skeptisch gegenüber. dora
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