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USA setzten Irak unter Druck

■ Patriots von Ramstein nach Saudi-Arabien verlegt/ Irak verhinderte Versiegelung von Unterlagen/ UN-Sprecher: Atomwaffenplan aufgedeckt

New York (ap) — Die USA haben gestern ihren militärischen Druck auf den Irak erhöht und damit begonnen, fast hundert Patriot-Raketen von Ramstein nach Saudi-Arabien zu verlegen.

Dieser Schritt stellt eine Reaktion auf die neuerliche Festsetzung von UN-Inspektoren in Bagdad dar. Er erfolgte, nachdem die Arbeit der Experten bereits zuvor durch den Streit um den Hubschraubereinsatz behindert worden war. In diesem Punkt machte der Irak am Dienstag einen Rückzieher. Nach Worten des britischen UNO-Botschafters David Hannay kam die Führung in Bagdad der Forderung der Inspektoren nach und erteilte ihnen die uneingeschränkte Erlaubnis, mit ihren eigenen Hubschraubern zu fliegen.

Die 44 UN-Inspektoren wurden gestern nachmittag nach wie vor von irakischen Sicherheitskräften in ihrem Bus festgehalten. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hatte zuvor die Regierung in Bagdad zur unverzüglichen Freilassung der Experten aufgefordert. In einer in der Nacht zum Mittwoch einstimmig angenommenen Erklärung verlangte der Sicherheitsrat ferner, den Inspektoren müsse erlaubt werden, alle Dokumente mitzunehmen, die sie ihrer Ansicht nach für ihre Tätigkeit benötigten.

Der Leiter der UNO-Delegation, David Kay, erklärte am Mittwoch morgen telefonisch im US-Fernsehsender ABC: „Wir halten so lange durch wie nötig. Dies ist eine Mannschaft mit einer guten Einstellung und guter Gesundheit.“ Seinen Angaben zufolge untersuchen die Experten die Videoaufnahmen, die bei der Suche in dem Gebäude der irakischen Atomenergiebehörde gemacht wurden. Auf ihnen sollen Einzelheiten des irakischen Atomwaffenprogramms, die Namen der ausländischen Zulieferer und der irakischen Direktoren zu erkennen sein.

Ein Mitarbeiter des Inspektorenteams in Bagdad, William Nelson, erklärte um 5.00 Uhr Ortszeit in Bagdad, die Iraker hätten erlaubt, Wasser und Lebensmittel zu den Fahrzeugen zu bringen, die auf einem Parkplatz festgehalten werden. Am Mittwoch verhinderten die irakischen Sicherheitskräfte jedoch mit Gewalt die Versiegelung der Dokumentenkisten. Wie Kay mitteilte, wollten die Mitarbeiter der Internationalen Atomenergiebehörde verhindern, daß die Iraker Unterlagen entnehmen, während die Experten schlafen. Die Sicherheitskräfte hätten sich wieder zurückgezogen, nachdem das Team versicherte, daß keine Siegel angebracht würden.

Rolf Ekeus, der Chef der UNO- Sonderkommission zur Feststellung und Vernichtung der irakischen Massenvernichtungswaffen, hatte am Montag abend in New York erklärt, die Inspektoren hätten bereits geheime Dokumente der Iraker gefunden und kopiert, die nach ihrer Darstellung den Beweis dafür lieferten, daß der Irak atomare Waffen entwickelt habe. Auch hätten sie Unterlagen darüber sichergestellt, welche ausländischen Firmen Beiträge zu diesem Programm geleistet hätten. Ekeus nannte keine Unternehmen, fügte jedoch hinzu, es seien Dokumente in arabischer, englischer, deutscher und italienischer Sprache gefunden worden. Auf die Frage, ob dies bedeute, daß die Inspektoren den grundlegenden Plan für das Streben Iraks nach atomarer Macht entdeckt hätten, sagte Ekeus: „Ja. Wenn man das zusammenfügt, was wir gestern und heute gefunden haben, werden wir ein sehr gutes Bild haben, wenn wir es sicherstellen können.“

Der stellvertretende irakische Ministerpräsident Tarik Asis erklärte am Dienstag vor Journalisten in Bagdad, die UN-Inspektoren hätten versucht, sich personenbezogene Unterlagen der Atomenergiekommissison des Iraks anzueignen, die nichts mit ihrem Auftrag zu tun hätten. Den Fachleuten sei Einblick in die Unterlagen erlaubt worden, um zu demonstrieren, daß dieses Material sich auf Personen beziehe. Seine Regierung werde aber „nicht erlauben, daß sie davon Fotos machen oder sie mit Gewalt an sich nehmen.“ Er sagte weiter, nach vorliegenden Informationen sei Kay „ein Offizier des US-Geheimdienstes“. Dies bezeichnete ein Sprecher des US-Außenministeriums als lächerlich.

Präsident Bush sprach in New York von einem „nicht hinnehmbaren Verhalten“ des irakischen Präsidenten Saddam Hussein. Unter Anspielung auf den vom Irak verlorenen Golfkrieg fügte er hinzu, Saddam Hussein solle sich „nicht noch einmal verrechnen“. Die USA wollten zwar nicht, daß das irakische Volk noch mehr leiden müsse, „doch darüber steht die Entschlossenheit der internationalen Gemeinschaft“, daß die UNO-Resolutionen gegen den Irak voll verwirklicht würden. Der Präsident versicherte, noch werde der irakischen Regierung keine Frist gesetzt. „Ich treffe keine Entscheidungen dieser Größenordnung, die Menschenleben berühren können, ohne alle Informationen zu haben“, sagte er.

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