: Rassismus kein ostdeutsches Problem
■ Neonazis bejubeln die Umquartierung der Flüchtlinge aus Hoyerswerda als ihren eigenen Sieg
Dresden/Hoyerswerda (taz/dpa) — Von 58 Brandanschlägen, die in den ersten acht Monaten dieses Jahres gegen Ausländer- und Flüchtlingswohnheime in Deutschland verübt worden waren, entfallen auf Westdeutschland allein 42. Diese Zahlen des Bundeskriminalamtes in Wiesbaden beweisen, daß es mit der von Sachsens Regierungschef Kurt Biedenkopf so vielgerühmten „Toleranz“ auch im Westen der Republik so weit nicht her ist. Während weiter Hilflosigkeit die offizielle Debatte prägt, jubeln westdeutsche Neonazis über den Sieg ihrer ostdeutschen Gesinnungsgenossen. „Ich hoffe, daß der Funke jetzt in Gesamtdeutschland zündet“, meint der Langener Neonazi Heinz Reisz nach der Umquartierung der Flüchtlinge.
Reisz, ehemaliger Mitstreiter des an Aids gestorbenen Michael Kühnen und des in Dresden von Zuhältern ermordeten Neonazi-Anführers Rainer Sonntag, hielte es für angemessen, wenn man den „Jungs, die in Hoyerswerda gekämpft haben, das Bundesverdienstkreuz verleihen“ würde.
Christian Worch von der Hamburger „Nationalen Liste“ freut sich: Bei den Deutschen gebe es, wie er glaubt, bereits „Verständnis“ für die militante Rechte. Der Weg vom Verständnis zur Sympathie sei „ja nicht weit“, drückt er seine Hoffnung für die Zukunft aus.
Der Wiener Neonazi Gottfried Küssel, Chef der „Volkstreuen Außerparlamentarischen Opposition“ (VAPO), ist sich sicher, daß seine Gesinnungsgenossen von den Ereignissen in Hoyerswerda „profitieren“ werden. Worch und Reisz geben jedoch vor, von den gewalttätigen Übergriffen nichts gewußt zu haben.
Mit Reisz, Worch und Küssel haben sich nach den rassistischen Übergriffen in Hoyerswerda aber genau diejenigen Neonazis zu Wort gemeldet, die bereits kurz nach dem Fall der Mauer ihre Fühler erfolgreich nach Ostdeutschland ausgestreckt haben. Sie waren maßgeblich an der Gründung der „Nationalen Alternative“ in der Ostberliner Weitlingsstraße sowie am Aufbau der „Deutschen Alternative“ in der ehemaligen DDR beteiligt. Nach dem Tod Kühnens ernannte sich Küssel selbst zu seinem Nachfolger. Obwohl Küssel bereits seit Mitte Mai vom Bundesinnenministerium mit einem Einreiseverbot in die Bundesrepublik belegt ist, beteiligte er sich ungehindert am 17. August an der Demonstration gegen das Verbot des Rudolf-Heß-Gedächtnismarsches in Bayreuth.
Als am Wochenende vom 31. August zum 1. September in Dresden die neonazistische Gruppierung „Sächsische Nationale Liste“ gegründet wurde, waren Küssel und Worch vor Ort dabei. Der Langener Neonazi Heinz Reisz hielt die Grabrede für Rainer Sonntag am 15. Juni. Auch Worch und Küssel waren an diesem Tag in Dresden. b.s.
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