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Stellungnahme

■ Es gilt, Fronten zu vermeiden-betr.: "Keine zweite Bronx im Viertel" / "Bauern(straßen)opfer" ,taz vom 24.9.91

Herr Daschner führt dem Leser in dem Artikel eine bemerkenswerte Form von Journalismus vor, die mit einer Fülle von Halbwahrheiten, Auslassungen und Unterstellungen arbeitet. Die Anwohner der Bauernstraße wissen laut Daschner nichts Besseres zu tun als aus dem Einbruch „ein Schauermärchen zu spinnen“. Der Leser erfährt auch sofort, woraus es besteht: Die Leute fürchten um die Sicherheit ihrer Kinder in den eigenen Wänden. Angesichts des Vorfalles (dem Einbruch und der Bedrohung des Lebens eines jünger aussehenden 17jährigen, der schwer verletzt in seinem Blute liegen gelassen wurde) ist diese Befürchtung (folgt man D.s Logik) selbstverständlich eine Wahnvorstellung. Flugs basteln die Anwohner ein Flugblatt. Nach diesem Strickmuster ist der ganze Artikel zusammengeschmiert. Der Leser erfährt vor allem eines: die als Information getarnte Meinung Daschners.

Wie Daschner aber aus dem Flugblatt der Anwohner weiß, ist es nicht alleine dieser einzelne brutale Vorfall, der uns Anwohner zutiefst beunruhigt, sondern die Entwicklung der Gesamtsituation in unseren Straßen ängstigt uns. Der Angriff auf den Jungen in seiner Wohnung ist für uns lediglich die Spitze eines Eisberges und logische Folge einer Konzentration von Drogenabhängigen, die aufgrund ihrer Situation großen Teils kriminell sind.

Im Kommentar baut D. sein Verfahren weiter aus, versieht es aber zusätzlich mit bösartigen Unterstellungen. Da wird der Junge als Opfer nicht der Messerstecher, sondern der Hetze der angeblich so law- und orderbewußten Anwohner dargestellt. Er verwechsle den Überfall angeblich mit einem Spielfilm. Lediglich die Eindringlinge wissen, was Sache ist, deshalb können sie auch getrost zustechen. So ist das Leben (im Viertel) nunmal. Dank D. wissen wir endlich, wie es am Mittagstisch der betroffenen Familie zugeht. Dort wird gehetzt, auch macht sich Pogromstimmung dank der Gespräche über den Gartenzaun breit. „Im Waffenarsenal“ der Anwohner: „Hetzjagden und Propagandatricks“.

Schön wärs gewesen, wenn er dies nicht nur behauptet, sondern wenigstens durch irgendetwas belegt hätte. So bleibt dies ein journalistisches Machwerk übelster Qualität, das für die gegenwärtige Situation im Viertel gefährliche Folgen haben kann. Es putscht Gefühle hoch und errichtet Fronten, die es unbedingt zu vermeiden gilt! Wir Anwohner bekämpfen nicht die Junks, sondern eine konzeptionslose Politik, die das Drogenproblem der Stadt im Viertel ghettoisiert. Diese Politik führt dazu, daß die anderen Stadtteile sauber bleiben. Die von den Viertelbewohnern langjährig bewiesene Toleranz wird weiter strapaziert, haben sie sich doch als geduldige „Alternative“ bewährt. Die Wählerschaft der Regierungpartei stellen sie eh nicht dar. Also ist es für die SPD am bequemsten (und billigsten!!!), Denzentralisierung zu proklamieren, tatsächlich aber die weitere unheilvolle Konzentration von Abhängigen im Viertel ungehindert zuzulassen. Uns Anwohnern soll offenbar das Recht auf Wahrnehmung und Artikulierung unserer Lebensinteressen nicht mehr zustehen. Sind wir aber so vermessen, trotzdem auf gefährliche Entwicklungen hinzuweisen, so scheint jede Diffamierung zulässig zu sein. Wem soll das nützen, Herr Daschner? Bodo Bilinski

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