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INTERVIEWDer Schlüssel zum Atomprogramm

■ US-Atomwaffenforscher Gary Milhollin über die Bedeutung der Dokumente

Frage: Welche Bedeutung haben die Dokumente in den Händen der festgehaltenen UNO-Inspektoren?

Gary Milhollin: Diese Dokumente zeigen uns den Weg zur „hardware“. Bisher war unser Problem, daß wir in der Wüste einem Spiel mit Muscheln zusehen mußten. Jedesmal wenn wir die Muschel mit der nuklearen Perle zu kennen glaubten, stellte sich heraus, daß sich diese in einer anderen Muschel verbarg. Mit diesen Dokumenten können wir nun das ganze Programm zusammensetzen. Sie sind der Schlüssel zu allem, zu den Materialien, die wir bisher noch nicht entdeckt haben und zu dem Lieferanten-Netzwerk. Diesen beiden Spuren gehen wir nun nach.

Das Inspektorenteam hat die Unterlagen in einem ganz normalen Bürohaus in Bagdad in Beschlag genommen. Wie kommen die UNO-Inspektoren denn darauf, an solchen unauffälligen Orten nachzuschauen?

Wahrscheinlich wird das UNO-Team von den USA mit Geheimdienstinformationen gefüttert. Das heißt, das wir dort jemand vor Ort haben, der uns hilft.

Wenn Sie sich die Dokumente oder das Videotape über die Unterlagen anschauen könnten, worauf würden Sie besonders achten?

Mein erstes Ziel wäre herauszufinden, woher Saddam die Komponenten seines Atomwaffenprogramms hat. Denn seine Lieferanten warten nur darauf, auch andere mit den nuklearen Materialien zu versorgen. Ich würde gerne wissen, wer Saddam mit den essentiellen Komponenten für die Maschinen versorgte, mit denen er den Spaltstoff für seine Atomwaffen herstellen konnte. Ich würde gerne wissen, wer ihm die Informationen für das nukleare Design lieferte, das zeigt, wie Sprengköpfe zu bauen sind. Ich hätte gerne die Namen der Leute, die in diesen Dokumenten auftauchen, die Namen der ausländischen Zulieferer und Geschäftspartner Saddams.

Welches Wissen fehlt uns denn noch über das irakische Atomwaffenprogramm?

Wahrscheinlich hält Saddam immer noch wichtige Maschinen und Materialien versteckt, von denen wir nichts wissen. Die bisherigen Berichte der UNO haben da mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Die Iraker haben der UNO widersprüchliche und unglaubwürdige Informationen geliefert. Dies deutet darauf hin, daß Saddam noch andere Elemente versteckt hält und selbst nach dem Krieg immer noch versucht, die Bombe herzustellen.

Unsere gegenwärtigen Schwierigkeiten im Irak zeigen uns deutlich die Fehler im Überwachungssystem der UNO. Selbst im Irak, wo wir die Arbeit der Inspektoren mit militärischen Drohungen unterstützen können, sind wir nicht in der Lage, alles, was da vorgeht, herauszufinden. Auf dieses Inspektionssystem haben wir uns jahrelang in den anderen Ländern verlassen, in denen wir weder mit Gewalt drohen können noch eine Menge von Geheimdienstinformationen besitzen. Wir finden also gerade heraus, daß wir überhaupt keine Ahnung haben, was in Iran, Pakistan und an einigen anderen Orten in Sachen Atomwaffenprogramme wirklich vor sich geht.

Das Interview wurde vom US-amerikanischen „National Publik Radio“ geführt. Übersetzung: Rolf Paasch

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