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IWF will Sowjetunion aufnehmen, ihr aber keinen Einfluß einräumen

■ Das Angebot auf eine „assoziierte Mitgliedschaft“ ist gleichzeitig die Einladung zur Jahrestagung

Washington/Moskau (taz) — Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat der Sowjetunion bis zu einer späteren vollen Mitgliedschaft den Sonderstatus „assoziierte Mitgliedschaft“ angeboten, der dem Land alle Rechte eines ordentlichen Mitgliedes bringt — bis auf die Möglichkeit, Kredite zu bekommen. Den Anspruch auf finanzielle Hilfe haben nur ordentliche IWF-Mitglieder, die — entsprechend ihrer Wirtschaftskraft — Geld in den Fonds einzahlen. Das 22köpfige Exekutivdirektorium des IWF billigte am Mittwoch nachmittag eine Vereinbarung, die in Kraft treten kann, sobald Moskau dem Text zugestimmt hat.

In Washington wurde damit gerechnet, daß die Sowjetunion den Sonderstatus akzeptieren wird, bis das Verfahren über ihren Antrag auf volle Mitgliedschaft vom 22. Juli 1991 abgeschlossen ist. Auch als „assoziiertes Mitglied“ darf die UdSSR an der Jahrestagung von IWF und Weltbank von 12. bis 17. Oktober in Bangkok teilnehmen.

Die Vereinbarung sieht unter anderem vor, daß der IWF der UdSSR technische Hilfe leisten und sie bei der Ausarbeitung von wirtschaftlichen Reformprogrammen beraten kann sowie deren Einhaltung überwacht. Außerdem soll in Moskau ein ständiges IWF-Büro eingerichtet werden. Ferner will der Fonds einzelnen sowjetischen Republiken nach Zustimmung der Zentralregierung direkt Beratung und technische Hilfe anbieten.

Letztgenannter Beschluß offenbart das Dilemma, in dem die Exekutivdirektoren, die als Vertreter der 22 reichsten IWF-Mitgliedsstaaten zwischen den Jahrestagungen die Fondspolitik bestimmen, bei ihren Beratungen über die Sowjetunion gesteckt haben: einerseits ist die sowjetische Zentralregierung weiter ihre Ansprechpartnerin — schließlich liegt ja der offizielle Antrag auf Aufnahme vor — andererseits bestimmen immer mehr die 15 Republiken über ihre jeweilige Wirtschaftspolitik selbst — auch wenn sie sich inzwischen über einen Wirtschaftsvertrag geeinigt haben. Einer der Kernpunkte dieses Wirtschaftsvertrages ist nach den vorliegenden spärlichen Informationen aus Moskau die Aufteilung der Auslandsschulden (nach sowjetischen Angaben derzeit 68 Milliarden Dollar) zwischen den Republiken.

Ein weiteres Problem bei der Aufnahme der Sowjetunion als IWF- Vollmitglied ist die Bestimmung der Wirtschaftskraft. Nach den bisherigen offiziellen Angaben der UdSSR müßte sie direkt hinter den USA gleichberechtigt neben Japan und der Bundesrepublik eingruppiert werden. Je mehr sich allerdings westliche Experten mit der tatsächlichen Wirtschaftskraft der Sowjetökonomie beschäftigen, desto mehr schrumpft ihre vermeintliche Größe, derzeit auf „irgendwo zwischen Belgien und Italien“, wie das 'Handelsblatt‘ vermutet. Weil im IWF die Stimmrechte an die ökonomische Größe gekoppelt sind, haben die USA logischerweise kein Interesse daran, die UdSSR als reiches Land direkt auf Platz zwei hinter sich zu akzeptieren, weil sie dann Einfluß auf die Fondspolitik nehmen könnte. Deshalb forderte der IWF in der Vereinbarung, daß die Sowjets künftig ihre Wirtschaftsdaten nach den Kriterien des IWF erhebt. Donata Riedel

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