Wieder Anschlag auf Ausländer

■ Brandsatz und Steine gegen Ausländerwohnheim in Brandenburg/ Keine Verletzten/ Flüchtlingsinitiativen fordern sofortigen Zuweisungsstopp von Flüchtlingen für Ex-DDR

Berlin (taz) — Die Attacken auf Ausländer in Deutschland hören nicht auf. In der Nacht zum Freitag haben etwa 20 Rechtsradikale ein Ausländerwohnheim in der Stadt Brandenburg mit Pflastersteinen und einem Brandsatz angegriffen. Zahlreiche Fenster zerbarsten, der Brandsatz hingegen konnte von den Bewohnern rechtzeitig gelöscht werden. Was die Rechtsradikalen offenbar nicht wußten: in dem Wohnheim leben nicht nur kubanische Arbeiter, sondern auch deutsche. Die Ermittlungen der Polizei führten gestern Morgen zur Festnahme eines ersten Tatverdächtigen.

Der 23 Jahre alte Mann aus der Stadt Brandenburg, eigenen Angaben zufolge Angehöriger der rechtsextremistischen Szene, hat nach Darstellung der Polizei inzwischen gestanden, an dem Überfall beteiligt gewesen zu sein.

Brandenburgs Sozialdemokraten wollen in Zukunft offensiver gegen Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus vorgehen. SPD-Landesgeschäftsführer Martin Gorholt erklärte gestern auf einer Pressekonferenz, Ziel sei es, künftig verstärkt das Grundrecht auf Asyl zu verteidigen und Konflikte zwischen Deutschen und Ausländern zu „schlichten“. Auch die kommunale Jugendarbeit müsse intensiviert werden.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Kuessner aus Greifswald äußerte sich gestern betroffen über die Hatz auf Ausländer in Deutschland. „Menschen greifen zu Gewalt und schaffen damit das Fundament für eine neue Mauer", sagte Kuessner. Ohne die Arbeit vieler Ausländer wäre Deutschland nicht das, was es ist. Gewaltbereiten Deutschen muß nach Ansicht des SPD-Politikers energisch entgegengetreten werden. Es müsse alles getan werden, daß „staatliche Gewalt in den neuen Bundesländern Aufgabe der Polizei bleibt“. Kuessner hob hervor, die Polizei in der Ex-DDR diene nicht mehr der Unterdrückung, sondern „ist Helfer der Demokratie“. Als völlig unverständlich bezeichnete es Kuessner, daß die Polizisten in der ehemaligen DDR noch immer ihre alten Uniformen trügen. Diese stünden zwischen Polizei und Bürgern als „Symbol der alten Macht“.

Gegen „Scheinlösungen“ sprachen sich gestern der Frankfurter Flüchtlingsbeirat und die Flüchtlingssolidaritätsgruppe Schwalbach/ Frankfurt in einer gemeinsamen Erklärung aus. Für Flüchtlinge sei die Ex-DDR ein Krisengebiet mit „erheblichem Sicherheitsrisiko“. Die einzige konkrete Hilfsmöglichkeit sei ein sofortiger Zuweisungsstopp von Asylbewerbern für die Ex-DDR und ein Rückkehrrecht nach Westdeutschland. Die Flüchtlingsinitiativen sind der Auffassung, daß die „erschreckend rassistische Haltung“ weiter Teile der ostdeutschen Bevölkerung nicht nur ein Erbe des SED- Regimes, sondern zunehmend auch eine Folge der „unseligen“ Asylrechtsdiskussion und der „flüchtlingsfeindlichen“ Äußerungen vieler Politiker und in den Medien sei.

Der Rassismus in Ostdeutschland erreiche inzwischen das Ausmaß einer „Menschenjagd mit Volksfestcharakter“, in Westdeutschland dagegen gehe die Gewalt gegen Ausländer eher von anonymen Einzeltätern aus. Thorsten Schmitz