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„DVU aus Protest gewählt“

■ Spontane taz-Umfrage zu den Stimmengewinnen der Rechten im Bremer-Nord

Eine der DVU-Hochburgen ist der Bremer Norden. In Stadtteilen wie Vegesack, Grohn, Schönebeck oder St.Magnus haben sich im Durchschnitt acht Prozent der WählerInnen für extrem rechts entschieden, doppelt so viele wie vor vier Jahren. „Rühmliche Ausnahme“ ist Lesum, wo der Anteil der Rechtswähler unter dem Landesdurchschnitt (6,18%) bei 4,99 Prozent liegt. Die taz fragte Bremer BürgerInnen im Norden, was sie über die Stimmengewinne der DVU denken und welche Ursachen für den Rechtsruck verantwortlich sind.

Mann (39): „Die Gründe liegen in Themen wie Asylpolitik und Wohnungsnot. Da haben die demokratischen Parteien einfach versagt, besonders die SPD. Es sind ziemlich viele Fehlentscheidungen getroffen worden, durch die Verfilzung. Zum Beispiel die Sache mit der Senatsvilla. Da wurde einfach ein völlig intaktes Haus abgerissen, andererseits werden Asylanten und Übersiedler in Turnhallen untergebracht.“

Annemarie Tramitz (61): „Ich glaube viele Wähler haben die DVU nur aus Protest gewählt und nicht, weil es ihre innere Überzeugung ist. Das wäre ja entsetzlich. Ich persönlich habe mich immer viel um Asylanten und Aussiedler aus Polen, Rumänien oder der DDR gekümmert. Zur Zeit betreue ich etwa 20 Familien. Es ist wichtig, daß wir diesen Menschen helfen. Aber ich glaube, das mit den Sinti und Roma, das war ein bißchen viel. Ich weiß allerdings auch nicht, wie man das Problem lösen könnte.“

Französin (32): „Das Ergebnis beängstigt mich. Als Französin gehöre ich zwar noch zu den besseren Ausländern aber irgendwie bin ich ja auch betroffen. Ich bin ja nicht deutsch, auch wenn man mir das nicht ansieht. Andererseits kann ich auch verstehen, daß die Leute wegen der mangelnden Kindergartenplätze aufgebracht sind. Da heißt es dann schnell, die Ausländer sind schuld, obwohl das nicht stimmt. Bei uns in St.Magnus, wo ja die wohlhabende Schicht lebt, kam es zum Beispiel in der Billungstraße zu Konflikten, als die rumänischen Aussiedler einquartiert wurden. Dann wurde gesagt, in der Billungstraße wird für einen Kindergarten geräumt. Aber als das Haus dann leer war, wurden wieder neue Ausländer reingesetzt. So ging das einige Male. Die Leute werden einfach für dumm verkauft und sind sauer.“

Gerd Detlef (43): „Das liegt an den beiden großen Parteien und deren Untätigkeit. Die lassen alle Asylbewerber rein. Deshalb haben viele junge Leute DVU gewählt. Man hätte das hier so wie in Bayern machen müssen: Einfach keine Ausländer mehr einwandern lassen, fertig. Sonst geht das mit der DVU noch weiter so. In einigen Teilen von Bremen haben die ja jetzt schon 10 Prozent. Für mich sind das nichts anderes als Nationalsozialisten. Wenn die hier erst mal das Sagen haben, dann wird's wohl wieder so wie vor 40 Jahren. Dagegen hilft nur die große Koalition.“

Hannelore Michaelis (69): „Das Ergebnis der Wahl war vorauszusehen. Und nach so langer Zeit finde ich das auch nicht verkehrt, wenn da mal so'n bißchen Druck von anderer Seite kommt. Es gab in letzter Zeit einfach zu viele Unsicherheiten, zum Beispiel mit der Arbeitslosigkeit. Da wird ja überhaupt nichts unternommen.“

Mann (30): „Das Ergebnis für die DVU finde ich entsetzlich. Ich glaube das liegt daran, daß man viele Themen in der Öffentlichkeit diskutiert, anstelle sich erstmal in den Parteien zu einigen und dann nach draußen zu gehen. Dieses Hick-Hack haben viele Menschen satt und die wählen dann irgendwas ganz Extremes, als Protest. Schlimm ist, daß so viele Jugendliche DVU gewählt haben.

Hasan Asap (18): „Mir macht das mit den Rechten Angst. Man traut sich im Dunkeln nicht mehr auf die Straße. Am Bahnhof Vegesack sind schon viele Ausländer bedroht worden, sogar mit Messern. Da gibt es andauernd Schlägereien. Bald bleibt uns wie in der DDR nichts anderes übrig, als zu Hause zu sitzen, nicht mehr raus zu gehen.“

Birgit Ziegenhagen

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