: Ein Fall fürs Büro
■ Diepgens Ansinnen einer festlichen und prachtvoll zeitgemäßen Demontage des Ostberliner Lenin-Denkmals
Berlin. Daß die Duden-Redaktion Begriffe wie Denkmal oder Erinnerung aus den Spalten ihres Nachschlagewerkes nicht nur umzudeuten, sondern tilgen müßte, drängt sich dem Betrachter förmlich auf, der die Debatte um den Abriß des Lenin-Denkmals verfolgt. In einem Brief an den Regierenden Bürgermeister freut sich das »Büro für ungewöhnliche Maßnahmen«, daß Diepgen »als großer Held der Oktoberrevolution von 1989 und als Bezwinger des Sozialismus« sich nun anschickt, die »ruhmreiche Tat« zu vollbringen und das Ärgernis Lenin in Schutt und Asche zu legen. Ganz im Stil der Neuen Deutschen Zeit, fährt der Brief fort, soll dieser Kasus nicht etwa in einem klammheimlichen Akt Friedrichshainer Lokalbürokraten abgewickelt werden, vielmehr im großen Stil, als populäres Spektakel, großartige Zeremonie. Hier schließt der Gedankengang nahtlos an ein — von Diepgen nicht ausgesprochenes — Ansinnen an, »bis zum Jahr 2000 die äußeren Spuren der DDR beseitigt zu haben«, nämlich spätestens im Olympia-Jahr muß er weg sein, der Lenin. Ganz im Sinne des allgemein und speziell die neuen Territorien beherrschenden Trends: Lenin war auch kein Deutscher, »Lenin war Ausländer!« Zu guter Letzt bliebe noch die logistische Komponente und das exakte Timing. Als Termin schlagen das Büro und andere Sympathisanten den allgemeinen und ersten gemeinsamen Deutschen Feiertag n.d.W. (nach der Wende), den 3. Oktober vor.
»Vielleicht könnten Sie selbst den Startschuß geben«, ermuntert der Brief, indem »Sie Lenin, von einem Hebekran aus, einen echten Pfälzer Saumagen ins Gesicht schleudern«. Vorstellbar wäre ein Feuerwerk aus der Marx-Engels- Lenin-(wenn schon, denn schon)- Gesamtausgabe, flankiert mit roten Fahnen und Scratch-Performance, Internationale und deutsche Posaunen. Damit auch recht viele Schaulustige kommen, sollte in den gestylten Plakaten der Freibierausschank fett angekündigt werden. abc
Siehe auch Debatte auf Seite 22
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