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Der erbärmliche Way of life

Um 21.45 Uhr kehrt bei der ARD „Miami Vice“ auf den Bildschirm zurück  ■ Von Martin Compart

Als 1986 bei uns die ersten Folgen von Miami Vice ausgestrahlt wurden, jaulte die schmalbrüstige Intellektuellenclique vor Wut auf. „Videoclip-Ästhetik“, „unrealistisch“ und „Machogehabe“ waren einige der zahlreichen Vorwürfe gegen die Serie, die wie wenige andere Maßstäbe setzte.

Die Verantwortlichen der ARD taten noch ein übriges, um ihren potentiellen Hit kaputt zu machen: sie schnippelten in den aggressiven Kamerafahrten herum, hielten sich nicht an die Chronologie und verbannten die Serie auf dem Höhepunkt ihrer Popularität erst mal ein paar Jahre aus dem Progamm. Man fragte sich, was wohl in den Köpfen der ARD-Programmplaner vor sich ging; nicht viel, wahrscheinlich. Bevor sich nun ein privater Sender die Erfolgsserie schnappen konnte, nimmt die ARD erst mal 26 von 40 bereits gekauften Folgen wieder ins Programm. Man kann lediglich hoffen, daß diesmal die richtige Reihenfolge eingehalten wird (besonders angesichts der Fortsetzungsgeschichten in der letzten Saison).

Miami Vice revolutionierte mit seinen filmischen Qualitäten, seiner ausgefuchsten Farbdramaturgie und dem raffinierten Einsatz von Rockmusik die Fernsehserien formal und bisher unübertroffen. Inhaltlich war die Serie ebenfalls radikal: In Opposition zur Reagan-Ära ging sie von der Prämisse aus, daß das Verbrechen längst gewonnen hat und daß die Grenzen zwischen illegalem und legalem Kapital, zwischen Wall Street und Medellin-Kartell fließend sind — soweit sie überhaupt existieren. In einer Welt, die dank des völlig befreiten Raubtierkapitalismus am Abgrund wandelt, können selbst die moralisch gefestigten Vice-Heroen nur noch Symptome bekämpfen.

Sonny Crockett, der Kleinstädter mit den Down-to-earth-Tugenden, und der intellektuelle Ostküstengroßstädter Ricardo Tubbs erleben immer aufs neue ihre Frustration mit staatlichen Organisationen, von FBI bis CIA, die aus paranoider Machtgier ganz im Sine der politischen Führung Drogenhändler decken oder demokratische Strukturen demontieren. Im letzten Akt der Serie verliert folgerichtig Crockett auch seine Identität und wechselt die Seiten. Durch einen Gedächtnisverlust hält er sich für einen Killer und Drogendealer, der seine Fähigkeiten skrupellos einsetzt, um seinen Ex- Freunden vom Sittendezernat das Fürchten zu lehren. Die Dramaturgie der Farben entwickelt parallel dazu immer düstere Töne.

Nach 104 Folgen war in den USA die letzte Klappe gefallen. Das Ende kam auf dem künstlerischen Höhepunkt der Serie, die wie keine andere zeigte, wie erbärmlich doch der American way of life sein kann.

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