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Wurden Rumäniens Kumpel manipuliert?

■ Der geschaßte Premier Petre Roman erhebt schwere Vorwürfe gegen Präsident Iliescu/ Die „alten Strukturen“ wollten den Demokratisierungsprozeß bremsen und bedienten sich dabei der Bergleute/ Verleumdungskampagne „nach Goebbels-Art“

Bukarest (dpa/taz) — Die rumänischen Bergleute aus dem Jiu-Becken, die in der vergangenen Woche mit ihrem Marsch auf Bukarest die Regierung Petre Roman zu Fall gebracht hatten, haben am Montag ihre Arbeit wieder aufgenommen, obwohl ihre Gewerkschaft am letzten Donnerstag noch eine Fortsetzung des Arbeitskampfes angekündigt hatte. Die Verhandlungen über eine neue Regierung in Bukarest laufen inzwischen an.

Präsident Ion Iliescu hatte erklärt, die Regierung auf „breiter Basis“ reorganisieren zu wollen. Er hat mittlerweile mit den Führern der bisherigen Oppositionsparteien Gespräche aufgenommen. Diese sollen Palastrumoren zufolge darauf bestehen, daß der neue Premier nicht der Nationalen Rettungsfront angehören darf. Petre Roman, der bis zur Bildung einer neuen Regierung die Amtsgeschäfte weiterführt, hatte am Sonntag abend in einem Fernsehinterview seine Behauptung wiederholt, der Aufruhr der Bergleute aus dem größten Kohlerevier des Landes sei von „Neobolschewisten“ gesteuert worden. Profis der „radikalen Linken“ hätten die Bergleute geführt. Der Chef der Bergarbeiter, Miron Cosma, nach Roman ein psychisch instabiler und allzu ehrgeiziger Mannn, sei manipuliert worden und habe das zu spät erkannt.

Gegenüber der französischen Zeitung 'Liberation‘ wurde Roman am Montag deutlicher. Die Manipulation sei um Themen gelaufen wie: „Wir Bergleute haben unsere Privilegien verloren, wir sind kein entscheidender Wirtschaftssektor mehr, Privatisierung ist nichts als Bereicherung der Bourgeoisie.“ Gegen ihn, Roman, sei eine Verleumdungskampagne „eine wenig nach Goebbels-Art“ geführt worden. „Eine professionelle Arbeit ehemaliger Securitate-Leute.“

Petre Roman bezichtigte sich selbst einer Fehleinschätzung der Lage: „Wir hatten die Tatsache vernachlässigt, daß die überlebenden Strukturen kommunistischen Typs noch die öffentliche Meinung mit populistischen Parolen beeinflussen können. Iliescu und seinen Verbündeten ginge es um nichts anderes, als den Demokratisierungsprozeß zu bremsen und die „alten Strukturen“ aufrechtzuerhalten. „Im Jiu-Becken“, behauptete der geschaßte Premier im rumänischen Fernsehen, „waren die wirtschaftlichen Probleme gelöst. Wer hat die Bergleute nach Bukarest geholt und warum? Wenn es nicht aus ökonomischen Gründen geschah, dann aus politischen.“

Roman protestierte auch gegen die Umstände seiner Entlassung. Er habe Iliescu gegenüber nur formell sein Amt zur Verfügung gestellt, der aber habe ihn prompt entlassen. „Die Regierung ist unter völlig undemokratischen Umständen gekippt.“ Der ehemalige Premier lehnte es auch ab, der neuen Regierung beizutreten. Das sei für ihn eine Frage der Würde und der Rechtmäßigkeit. „Eine Regierung, die nicht legitim ist, kann keine Mitglieder aus der vorhergehenden, legitimen Regierung haben.“

Roman rief dazu auf, dem Ausland zu zeigen, daß Rumänien sich wieder in einem demokratischen Prozeß befinde. Die bereits ausgearbeitete neue Verfassung müsse so schnell wie möglich verabschiedet, anschließend müßten Neuwahlen ausgeschrieben werden. „Die politische Konfiguration“, so Roman, „muß sich ändern, damit ähnliche Demonstrationen in Zukunft ausgeschlossen sind. Das muß durch Wahlen geschehen.“

Die Assoziierungsverhandlungen mit der Europäischen Gemeinschaft (EG) sind nach dem Rücktritt der Regierung ausgesetzt worden, auch die Gespräche mit einer Delegation der Weltbank über einen Kredit für Rumänien waren abgebrochen worden, als es vor und teilweise in dem Tagungshotel zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei kam. C.S.

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