: Von Posen nach Genf — und zurück
Schweizerische Briefkastenfirmen werden in Polen aktiv — besonders gerne auf dem Banksektor ■ Aus Warschau Klaus Bachmann
Polen wird langsam zum Eldorado für Schweizer Briefkastenfirmen. Die Liberalisierung der Wirtschaftsgesetzgebung hat in den letzten Jahren und Monaten an der Weichsel zu einem vermehrten Interesse von Firmen geführt, deren Herkunft nicht nur den polnischen Behörden rätselhaft ist. Nur allzu häufig läßt sich deren Abstammung nur bis zu einem Handelsregister in einem steuergünstigen Kanton der Schweiz, auf den Kanalinseln, in Liechtenstein oder Luxemburg nachvollziehen. Sie endet dort zumeist bei einem schweigepflichtigen Treuhänder, der zugleich noch für mehrere Dutzend andere Briefkastenfirmen vertretungsberechtigt ist.
Der jüngste Fall — die Gründung einer Bank in Posen (Poznan) — hat allerdings wegen des gerade aufgeflogenen Bankenskandals doch für einigen Wirbel gesorgt. Insbesondere auch deswegen, weil die Gründer der „Polnisch-Schweizerischen Invest-Bank“ noch dazu eine große Werbekampagne in allen polnischen Medien schalteten. Die Invest-Bank wurde Anfang des Jahres von dem Posener Privatkonzern Drewbud AG und mehreren kleineren Privatfirmen der Region gegründet. Drewbud, geführt von dem für spektakuläre Werbegags bekannten ehemaligen Staatsmanager Piotr Bykowski, hatte bereits zuvor vergeblich versucht, an eine Bank zu kommen, um ein ehrgeiziges, aber gewagtes Programm zum Verkauf von Einfamilienhäuschen zu finanzieren. Seine Drewbud Bank AG starb jedoch eines leisen Todes, als sich herausstellte, daß die Firma wegen fehlender Konzessionen der Nationalbank und des Finanzministeriums die Bezeichnung „Bank“ gar nicht führen durfte.
Nun landete Bykowski einen Coup, der den Juristen der Nationalbank noch eine Weile schwer im Magen liegen dürfte. Das Bankengesetz nimmt Banken nämlich aus dem Joint-venture-Gesetz aus. Notwendig zur Gründung sind nur Konzessionen der Nationalbank und des Finanzministeriums sowie im Fall von Auslandsbanken eine Kapitalhöhe von mindestens sechs Millionen Dollar. Für polnische Banken dagegen beträgt die Untergrenze ganze 20 Milliarden Zloty, rund 2,5 MillionenDM. Also gründete Drewbud zusammen mit anderen polnischen Firmen zunächst eine rein polnische Bank und verkaufte dann ihre Anteile einer Schweizer Bank.
Die kam so, ohne sich um zeitraubende Genehmigungen oder Mindestkapitalbestimmungen kümmern zu müssen, an 20 Prozent der Aktien — zum Nominalwert, versteht sich. Auf diese Weise ließe sich selbst eine hundertprozentige Auslandsbank gründen, ohne daß die Behörden eine Eingriffsmöglichkeit hätten. Presseberichten zufolge sollen inzwischen auch schon fast 50 Prozent der Aktien in Schweizer Hand sein. Durch dieses Hintertürchen bleibt der Bank allerdings die Möglichkeit legalen Gewinntransfers, der für offizielle Auslandsbanken bis zu 100 Prozent betragen kann, vorenthalten.
Wozu ein ernsthafter Bankgründer allerdings eine Bank mit minimaler Kapitalausstattung gründet, bleibt rätselhaft: Polens Bankengesetz sieht dafür nämlich bereits entsprechend enge Bestimmungen bei der Kreditvergabe vor. Damit hatte bereits die Agro-Bank, eine andere private Minibank, die zuletzt unter die Kontrolle der Skandalfirma Art-B geriet, Probleme. Wegen Überschreitens der Kreditsumme suspendierte die Bankenaufsicht schließlich den Chef der Agro-Bank. Im Fall Invest-Bank gibt es allerdings noch mehr Fragezeichen. Schweizer Partner ist nämlich eine „Banque SCS Alliance SA“ mit Sitz in Genf, laut Eigenwerbung ein international erfahrenes Bankhaus „aus dem Mutterland des Bankgewerbes“. Wer wirklich dahinter steht, ist nicht eruierbar. Fest steht aber, daß die Firma erst wenige Monate vor ihrem Auftauchen in Polen gegründet wurde.
Im Handelsregister von Genf sind darüber hinaus noch fünf andere Gesellschaften mit dem Kürzel SCS erfaßt, alle unter der gleichen Adresse wie die Banque SCS Alliance und alle mit mehr oder weniger den gleichen Personen in den Führungsgremien. Die wiederum haben zumeist noch ein bis mehrere Dutzend weiterer Verwaltungsratsmandate in Schweizer Firmen inne, was Kennern der Szene zufolge darauf hinweist, daß es sich schlicht um Treuhänder handeln könnte.
Das wäre nicht der erste Fall: Auch an der erfolgreichen privaten Bank für Wirtschaftsinitiativen (BIG-Bank) ist inzwischen eine Schweizer Briefkastenfirma beteiligt, ein weiteres Dutzend kleiner, von eidgenössischen Treuhändern verwaltete Firmen sind als Joint-ventures in den verschiedensten Branchen tätig.
Von der seltsamen Schweizer Bank ist indessen etwas mehr bekannt: Im Verwaltungsrat sitzt unter anderem ein gewisser Francois Giscard d'Estaing, Cousin des französischen Ex-Präsidenten, der vor einiger Zeit seinen Sessel als Präsident der Außenhandels-„Banque Francaise de Commerce Exterieure“ räumte und vor einigen Jahren im Zusammenhang mit der Bokassa-Diamanten-Affäre in die Schlagzeilen kam. Das preziöse Geschenk des zentralafrikanischen Diktators für die Giscards trug mit zur Beendigung von Valerys Karriere als französischer Staatspräsident bei.
Den polnischen Ermittlern ist Giscard noch in einem anderen Zusammenhang bekannt: als Berater der Attel-Investment-Bankengruppe. Zu der gehört auch das Luganer Geldhaus Mediocredito Commerciale, über das eine ganze Anzahl seltsamer Transaktionen im Zusammenhang mit dem illegalen Ankauf polnischer Schuldentitel im Ausland liefen (siehe Seite 8). Francois Giscard d'Estaing jedenfalls will in Polen nun seriöse Konsum- und Wohnungsbaukredite loswerden. Zu besonders günstigen, „von der Inflation abgekoppelten Zinsen“ wirbt die Invest- Bank.
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