Kinder nehmen Politiker in die Mangel

■ Der „Kindergipfel 1991“ in Frankfurt/Main bescherte den Organisatoren nicht nur fröhliche Kinder- und Politikergesichter/ Viele Kinder fühlten sich von einigen Politikern nicht ernstgenommen/ Die meisten Fragen mußte Umweltminister Töpfer beantworten/ Fazit: „Ein Anfang ist gemacht“

Klaus Töpfer, Bundesumweltminister und Vater von drei Kindern, ist ein umweltpolitischer Minimalist. Daran ließ er auch bei der Abschlußfeier des „Kindergipfels 1991“ am Sonntag abend in der Frankfurter Paulskirche keine Zweifel aufkommen: Als Unterzeichner des „Generationenvertrages“ will er sich besonders für recycelbare Autos einsetzen. Mit der Unterzeichnung eines 166 Punkte umfassenden „Vertrages der Generationen“ ging am Sonntag abend der von der Zeitschrift 'natur‘ zusammen mit dem Worldwide Found of Nature (WWF) und dem deutschen UNICEF-Komitee sowie der Stadt Frankfurt veranstaltete „Frankfurter Kindergipfel 1991“ zu Ende. Im Generationenvertrag sind globale Wünsche wie „Atomkraftwerke stillegen“ ebenso erhalten wie konkrete Forderungen nach autofreien Innenstädten und der Wunsch nach einer Kinderpartei mit Wahlrecht ab neun Jahren. Rund 600 Kinder hauptsächlich im Alter von zehn bis 14 Jahren hatten am Wochenende den Generationenvertrag in zehn Arbeitsgruppen unter anderem mit den Themen Verkehr, Müll, Tierschutz, Kinder in der Dritten Welt sowie Frieden erarbeitet. Der 'natur‘-Kindergipfel war der offizielle deutsche Beitrag für die weltweite Aktion „Stimme der Kinder“, die letztes Jahr in Norwegen enstand und bislang in 35 Ländern stattfand. Grundgedanke der Aktion: Kinder müssen in der Umwelt leben, die die Erwachsenen ihnen hinterlassen.

Vorausgegangen waren nach halbtägigen Diskussionen am Samstag ein öffentliches Fest mit Rummelplatz-Atmosphäre. Auf einer Sprechbühne stellten sich Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft den Fragen der Kinder und gerieten teils ins Schwitzen. Am bewölkten Wetter kanns nicht gelegen haben. Frankfurts Umweltdezernent Tom Königs (Grüne) fiel eine Antwort, warum er die City wie beim Fest nicht immer fürs Auto sperrt, sichtlich schwer. Umweltminister Töpfer mußte die meisten Fragen beantworten und wiederholte sich ständig: Es gebe eben Sachzwänge, die sofortige Maßnahmen verhinderten.

Fundamental waren zumindest die Forderungen der Kinder nach sofortigem AKW- und Auto-Stopp. Bei der Unterzeichnung des Generationenvertrages tendierten die fünf erwachsenen Unterzeichner eher zu weichen Themen: Neben Töpfers Recycling-Verpflichtung will sich sein saarländischer Kollege Jo Leinen (SPD) für eine stärkere Förderung der Sonnenenergie einsetzen. Einzig Robert Jungk als fünfter Erstunterzeichner sprach den Kindern mit seiner Verpflichtung, sich binnen des nächsten Jahres für die Stillegung aller Atomanlagen einzusetzen, aus vollem Herzen und wurde mit Beifall überhäuft. Die Unterzeichner erkennen mit dem Vertrag das Recht der Kinder auf eine Zukunft in Frieden und eine intakte Umwelt an und verpflichten sich der Rücksichtnahme auf Kinderinteressen. Nach einem Jahr müssen die Unterzeichner beim Kindergipfel in Berlin Rechenschaft über die eingegangene Verpflichtung ablegen.

Aber Kritik gab's auch. Die 14jährige Inga aus München bemängelte, sie habe sich von einigen Politikern nicht ernstgenommen gefühlt. Viele Kids trugen bei der Abschlußveranstaltung bunte Stirnbänder, mit der sie gegen die Organisation protestierten. Sie seien zuwenig in die Organisation eingebunden worden. Die UNICEF- und WWF-Mitarbeiter hätten die Arbeitsgruppen manchmal schulähnlich geleitet und überhaupt hätten zu viele Erwachsene beim Kindergipfel mitgeredet. Andere monierten fehlendes Umweltbewußtsein der Veranstalter: Plastikgeschirr und Filzschreiber habe es gegeben. Zudem wäre generell zuwenig Zeit zur Diskussion gewesen. Die 12jährige Petra störte sich an Sponsoren wie AEG und Lufthansa. Andere Kinder hingegen hielten es mit Robert Jungk („ein Anfang ist gemacht“) und waren von dem Gipfel begeistert. Der 'natur‘ warfen einige Stirnband-Kids vor, sie habe die Aktion für eigene Zwecke zu stark vermarktet. Michael Blum